Feierliche Einweihung des neuen Flugzeit-Massenspektrometers im FZ Jülich

05.12.2018

Im Beisein von Forschungsstaatssekretär Thomas Rachel MdB haben Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich heute ein neues Analysegerät in Betrieb genommen, mit dem sich die Entwicklung von Materialien für die Energiewende beschleunigen lässt. Moderne Hochleistungsbatterien, Brennstoff- und Elektrolysezellen sowie Membranreaktoren für synthetische Kraftstoffe sind zumeist als komplexe Schicht- und Verbundsysteme aufgebaut. Das neue Flugzeit-Massenspektrometer bietet Jülicher Forschern nun die Möglichkeit, das Verhalten dieser komplexen Materialsysteme im Betrieb zu erkunden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Errichtung des Geräts am Jülicher Zentralinstitut für Engineering, Elektronik und Analytik (ZEA) mit rund zwei Millionen Euro gefördert.

Mit der Energiewende ändern sich auch die Anforderungen in der Energieforschung. Anstelle von Turbinenschaufeln für konventionelle Kraftwerke stehen nun vermehrt Anlagen für die Energieerzeugung und -speicherung im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien auf dem Programm, bei denen immer komplexere Materialien und Verbundsysteme Anwendung finden. Diese Komplexität betrifft sowohl die Vielfalt der verwendeten Materialien wie Keramiken, Metalle, Halbleiter oder organische Schichten, als auch die innere Homogenität und Abfolge der Stapelung von funktionalen Schichten.

Für die Materialwissenschaften erschwert wird die Situation noch dadurch, dass in diesen Materialien dünne Strukturen mit nur wenigen Nanometern Dicke mit deutlich größeren Strukturen kombiniert sind. Die aktuelle Forschung ist zudem darauf ausgerichtet, bereits in der frühen Entwicklungsphase neuer Materialsysteme das Verhalten und die Alterung unter Betriebsbedingungen zu erkunden. Für diese sogenannten "in-situ" und "in-operando" Verfahren sind neue Analysegeräte gefordert, die diese Möglichkeiten bieten.

"Für eine nachhaltige Energieversorgung auf Grundlage erneuerbarer Energien brauchen wir leistungsfähige Materialien. Weil diese zeitnah zur Verfügung stehen sollen, benötigen wir kürzere Entwicklungszeiten. Dafür müssen Tests unter anwendungsnahen Bedingungen durchgeführt werden. Das neue Analysegerät ToF-SIMS V wird dies leisten. Deshalb unterstützt das BMBF die Anschaffung und Errichtung des Geräts im Forschungszentrum Jülich mit 2 Mio. Euro", sagte Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung.

"Das ToF-SIMS V gibt uns als Institut die Möglichkeit, die Entwicklung neuer Materialien zu beschleunigen und sie damit schneller der Gesellschaft für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende zur Verfügung stellen zu können", erklärt Institutsleiter Dr. Stephan Küppers die Vorteile.

Das neue Sekundärionen-Flugzeit-Massenspektrometer, kurz „ToF-SIMS V“ (engl. „time of flight secondary ion mass spectrometry“), im Jülicher Zentralinstitut für Analytik (ZEA-3), ist für all diese Anforderungen bestens ausgerüstet. Das Gerät ermöglicht es, die chemische Zusammensetzung und räumlichen Elementverteilungen in komplexen Material- und Verbundsystemen mit einem Auflösungsvermögen von bis zu 50 Nanometern zu untersuchen. Eine Spannungszuführung bietet zudem die Möglichkeit, „in-operando“, also im laufenden Betrieb, die Auswirkungen von Ladungs- und Entladungsprozessen aufzuklären, wie sie in Batterien stattfinden. Damit können beispielsweise Lithium-Batterien untersucht werden, die sich an der Atmosphäre sonst verändern würden.

Ein Flugzeitmassenspektrometer macht es sich zunutze, dass Teilchen – elektrisch geladene Ionen – in einem elektrischen Feld mit unterschiedlicher Geschwindigkeit fliegen, wenn sie eine unterschiedliche Masse besitzen. Je schwerer das Teilchen, desto langsamer fliegt es bei gleicher elektrischer Ladung. Aus der Flugzeit eines Ions über eine bestimmte Strecke lässt sich so seine charakteristische Masse ableiten.

Für die Analyse mittels Sekundärionen-Massenspektrometrie, kurz ToF-SIMS, wird die Probe mit einem Ionenstrahl beschossen. Dadurch lösen sich Atome und Moleküle, darunter auch einige Ionen, deren Masse sich dann durch die Beschleunigung im vorherrschenden elektrostatischen Feld mittels Flugzeitmassenspektrometrie nachweisen lässt.

© Forschungszentrum Jülich

 

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Verehrte Gäste,

Materie ist allenfalls auf den ersten Blick eine einfache Angelegenheit: Protonen, Neutronen und Elektronen in unterschiedlicher Zahl ergeben die 118 bekannten chemischen Elemente. Ein Mikrokosmos voller wissenschaftlicher Fragestellungen und ungelöster Rätsel mit viel Raum für neue Entdeckungen.

Neue Erkenntnisse über Werkstoffe und ihre Eigenschaften sind seit jeher die Triebfeder von technischem Fortschritt und Innovation. Mit ihrer Hilfe verbessern wir bestehende Technologien und erschließen neue Anwendungs- und Technologiefelder. Materialforschung ist damit ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Wissenschafts- und den Wirtschaftsstandort Deutschland – vor allem in der Energietechnik.

Mit der Energiewende stehen wir vor einem grundlegenden Paradigmenwechsel: Erneuerbarer Strom wird zum neuen Hauptenergieträger. Den Umstieg von fossilen Brennstoffen auf strombasierte Lösungen erleben wir zurzeit in allen Sektoren: Mobilität, Wärme, Industrieprozesse. Diese Entwicklungen stellen selbstverständlich auch ganz neue Ansprüche an die Energietechnik. Wir brauchen Lösungen, die den Ansprüchen von Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit Rechnung tragen.

Geeignete Materialien und Werkstoffe sind dabei an vielen Stellen von zentraler Bedeutung: Energietechnologie ist Hochtechnologie. Die eingesetzten Werkstoffe müssen sowohl den extremen Umwelt- und Betriebssituationen bei Energiewandlung, -transport und -speicherung standhalten als auch den Anforderungen an einen wirtschaftlichen Betrieb genügen. Sie sind das Fundament praxistauglicher und wirtschaftlicher Anwendungen.

Mit der Initiative „Materialforschung für die Energiewende“ fördert das BMBF seit 2013 die Entwicklung passgenauer Werkstoffe für Energietechnik mit gut 96 Millionen Euro. In einem breiten Spektrum widmen sich 150 Projekte in 46 Verbünden Themen wie beispielsweise verschleißarmen Stahl für Windenergieanlagen, neuen Materialklassen für die Photovoltaik, oder keramischen Verbundwerkstoffen für lastflexible konventionelle Kraftwerke.

Auch im neuen 7. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung bleibt Materialforschung ein wichtiges Querschnittsthema. Gerade bei der Sektorkopplung werden Materialfragen an vielen Stellen außerordentlich wichtig sein. Ich denke etwa an Zukunftsthemen wie die wettbewerbsfähige Produktion „grünem“ Wasserstoffs und synthetischer Kraftstoffe im Industriemaßstab oder Lösungen für eine nachhaltige Wärmeversorgung und -nutzung insbesondere in der Industrie.

Um hier voranzukommen, brauchen wir Materialforschung auf Spitzenniveau. Und das ist nur mit entsprechender Infrastruktur möglich.

Mit der Helmholtz Energy Materials Characterization Platform – HEMCP – und der Helmholtz Energy Materials Foundry – HEMF – stellen wir eine Spitzeninfrastruktur für diesen Zweck zur Verfügung. Die beiden Kooperations- und Methodenplattformen versammeln hier am FZJ sowie an 5 bzw. 6 weiteren Helmholtz-Zentren eine europaweit einzigartige Bandbreite an unterschiedlichen Analyse- und Synthesemethoden.

Diese Fähigkeiten erweitern wir jetzt mit der Inbetriebnahme des neuen Flugzeit-Sekundärionen-Massenspektrometer (ToF-SIMS) noch einmal ganz erheblich.

Das Zusammenspiel dieses neuen Instruments mit dem schon vorhandenen Rasterkraftmikroskop (AFM) und der Ionenfeinstrahlanlage (FIB) verleiht dem Forschungszentrum Jülich neue, weltweit einzigartig Präparations- und Analysemöglichkeiten.
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZEA-3, Sie sind ab heute in der Lage, Materialanalysen „in-situ“, also ohne störende Verunreinigung von außen, sowie „in-operando“, also unter Betriebsbedingungen, durchzuführen. Das verleiht Ihnen die Fähigkeit, dort hinzuschauen, wo es am wichtigsten ist. Beispielsweise auf die Ladungs- und Entladungsprozessen in den inneren Strukturen von Batterien, die sich an der Atmosphäre normalerweise sehr schnell verändern würden.

Meine Damen und Herren,

eine nachhaltige Energieversorgung auf Grundlage erneuerbarer Energien braucht leistungsfähige Materialien, die zeitnah zur Verfügung stehen müssen. Die Entwicklungszeiten müssen deutlich verkürzt werden, was Tests unter anwendungsnahen Bedingungen unabdingbar macht. Ich bin überzeugt, das neue Analysegerät ToF-SIMS wird dies leisten. Deshalb unterstützt die Bundesregierung die Anschaffung und Errichtung des Geräts im FZJ mit 2 Mio. Euro.

Anwendungsmöglichkeiten bestehen dabei nicht nur in der Energieforschung, sondern ebenso in vielen anderen Forschungsfeldern des FZJ wie den Informations- und Kommunikationstechnologien. Damit kommt das neue Instrument in vielerlei Hinsicht der Umsetzung der neuen Strategie des FZJ mit ihren Schwerpunkten Information und Energie zugute.

Meine Damen und Herren,
als Großforschungseinrichtung verfügt das FZJ über Analysemethoden, auf die eine Hochschule oder ein Unternehmen kaum Zugriff hat. Indem wir diese leistungsfähige Forschungsinfrastruktur auch Dritten zur Verfügung stellen, ermöglichen wir Forschung und Entwicklung auf höchstem Niveau auch in Bereichen außerhalb des FZJ, die ebenfalls hiervon erheblich profitieren.

Umgekehrt können die von außen herangetragenen Themen und Perspektiven Ihre wissenschaftliche Arbeit beflügeln. Das ist umso wichtiger, als Ergebnisse der Materialforschung erst in der Anwendung wirklich relevant werden.

Bitte achten Sie noch stärker als bisher bei Ihrer Arbeit darauf, die Analysemöglichkeiten des ZEA-3 insbesondere für Bereiche außerhalb der Wissenschaft zu eröffnen! Für das BMBF ist es enorm wichtig, dass wir den Transfer von Ideen, Wissen und Technologien und damit die Nutzbarmachung von Forschungsergebnissen für Gesellschaft und Wirtschaft deutlich verbessern.

Das beste Forschungsprogramm ist nichts wert, wenn es keine Köpfe gibt, die es umsetzen. Die besten Köpfe zieht es an die Standorte, wo sie die besten Bedingungen antreffen. Der Forschungscampus in Jülich ist schon heute ein solcher Standort. Ich bin sicher, das neue ToF-SIMS wird ihn weiter stärken.

Meine Damen und Herren,

ich wünsche Ihnen, dass Sie mit dem neuen Instrument ganz schnell bahnbrechende Forschungsergebnisse erzielen, die die Energiewende weiter voranbringen!

Vielen Dank!