Wissenschafts- und Industrieforum Intelligente Technische Systeme in Paderborn

11.05.2017

Sehr geehrter Herr Professor Gausemeier ,
sehr geehrter Herr Professor Dumitrescu ,
verehrte Frau Professor Schramm-Wölk 
meine sehr geehrten Damen und Herren,

der digitale Wandel hat nicht erst begonnen, wir befinden uns mitten darin. Jüngst haben die Vereinten Nationen festgestellt, dass vier von fünf Europäern das Internet nutzen, weltweit sind es 47 Prozent der Bevölkerung – Tendenz steigend. Laut aktueller Studien arbeiten heute bereits mehr als die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland an einem Internetarbeitsplatz. In Unternehmen, für die die Digitalisierung ein wichtiger Teil des Geschäftsmodells ist, beträgt der Anteil der Internetarbeitsplätze mehr als 75 Prozent. Die intelligente Vernetzung von Mensch, Maschine und Objekt erreicht Wissens- und Produktionsarbeit ebenso wie Dienstleistung und deren Schnittstellen. Die Wirtschaft steht an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution. Reale und virtuelle Welt wachsen zusammen.

Diese Veränderungen bei unseren Unternehmen, in unserer Arbeitswelt werfen vielfältige Fragen auf, die nach Antworten verlangen. Vor allem aber müssen wir in Deutschland bei dem Innovationssprung, der für diese industrielle Revolution notwendig ist, mitmachen. Unsere Spitzenstellung im weltweiten Innovationswettbewerb müssen wir auch hier behaupten.
Hier in Ostwestfalen-Lippe haben Sie sich mit dem Spitzencluster it’s OWL“ dieser Herausforderung gestellt. Sie gehen den Innovationssprung von der Mechatronik hin zu intelligenten technischen Systemen an. Sie treiben die Digitalisierung der Produktionstechnik auf den Weg zur Fabrik der Zukunft voran.

Als Plattform dafür konnten Sie den Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung nutzen. Ihren Spitzencluster it’s OWL“ unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung von 2012 bis 2017 mit rund 44 Mio. Euro.

Der Spitzencluster-Wettbewerb ist ein Flaggschiff der Hightech-Strategie – der Innovationsstrategie – der Bundesregierung. Gemäß dem Motto „Stärken stärken!“ haben wir ihn 2008 gestartet. Wir unterstützen leistungsfähige Cluster aus Wissenschaft und Wirtschaft, um sich im internationalen Innovationswettbewerb langfristig in der Spitzengruppe zu etablieren.

Immer wieder ist zu hören, Deutschland sei zwar Meister im inkrementellen Verbessern bestehender Technologien, habe aber noch Potenzial bei der Umsetzung von Sprunginnovationen aus der Grundlagenforschung. Hier anzusetzen, ist die Grundidee des Spitzencluster-Wettbewerbs. Spitzencluster bündeln die Kompetenzen einer Region und bieten damit hervorragende Voraussetzungen für die Umsetzung bahnbrechender Innovationen. Sie verbinden Wirtschaft und Wissenschaft klug und langfristig miteinander.

Ich bin sehr gerne hier nach Paderborn gekommen. Der Spitzencluster it’s OWL ist einer der erfolgreichsten Spitzencluster im gesamten Wettbewerb. Mit 174 Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Organisationen arbeiten Sie herausragend zusammen.

Ihr Cluster „it’s OWL“ ist unser Paradebeispiel unter den 15 Clustern.  Er zeigt in herausragender Weise, wie gute Forschung, gute Kommunikation und gute Öffentlichkeitsarbeit zusammenwirken können. Sie merken es ja selber, die Zusammenarbeit innerhalb des Clusters läuft hervorragend und die Projekte sind erfolgreich. Dies liegt sicherlich nicht zuletzt daran, dass Sie, sehr geehrter Herr Professor Gausemeier, für eine hervorragende Vernetzung sorgen und es geschafft haben, die Verantwortlichen der wichtigsten Unternehmen in Ostwestfalen-Lippe einzubinden.

Meine Damen und Herren,
der Mittelstand ist das Herz der deutschen Wirtschaft. Wir haben in unserer Wirtschaftsstruktur große Player, die man in Indien genauso kennt wie in den USA oder Kanada. Wir haben aber im Vergleich zu anderen Ländern viele kleine und mittelständische Unternehmen. Auch für deren Innovationskraft müssen wir etwas tun. Die Bildungs- und Forschungspolitik stehen dabei seit 2005 in Deutschland ganz oben auf der politischen Agenda der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat im Zeitraum 2006 bis 2015 die FuE-Ausgaben des BMBF um 66 Prozent von 9 auf 15 Milliarden Euro gesteigert. 2017 ist der Etat für Bildung und Forschung weiter gewachsen auf mehr als 17 Mrd. Euro – ein Rekordetat.

Unter dem Dach der Hightech-Strategie gibt die Bundesregierung mehr als 1,4 Milliarden Euro pro Jahr für die Forschungs- und Innovationsförderung bei KMU aus.

Das ist auch notwendig. Es gibt einige Indikatoren, die auf eine nachlassende Innovationskraft der KMU hinweisen. Vielen „Hidden Champions“ gelingt es, sich durch hochinnovative Produkte und Dienstleistungen in ihrem Segment international als Marktführer zu behaupten. Aber: Wer nicht innovativ ist, für den kann eine Nische auch zur Sackgasse werden! Wir stellen fest, dass die kleinen und mittleren Unternehmen in der Breite derzeit nicht aktiv genug sind bei der Anpassung ihrer Technologien und Geschäftsmodelle. Ihre Innovationsausgaben stagnieren, gehen real sogar zurück. Dieser Trend darf sich nicht fortsetzen.

Mit dem Spitzencluster-Wettbewerb  fließt fast ein Drittel der Fördermittel an KMU. Neben den mehr als 800 direkt beteiligten KMU profitiert eine vielfache Zahl von KMU als Mitwirkende von den Spitzenclustern.

Der Spitzencluster „it’s OWL“ ist hier sehr gut aufgestellt. Im Spitzencluster it’s OWL arbeiten nicht nur Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und international aufgestellte Großunternehmen unter einem Dach zusammen. Herausragend ist die Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen, die hier mitarbeiten.

Vor allem werden bei „it’s OWL“ die Lösungen aus der Forschung über spezielle Transferprojekte KMU zugänglich gemacht. Der it’s OWL Technologietransfer hat sich als Erfolgsmodell etabliert. Auch deshalb haben wir die Mittel für Transferprojekte aufgestockt, wodurch über 170 Transferprojekte bis Ende 2017 durchgeführt werden können.

Als Bundesforschungsministerium wollen wir über unsere herausragende Cluster- und Netzwerklandschaft noch mehr KMU für Forschung und Innovation gewinnen. Wir haben dazu ein Zehn-Punkte-Programm für den Mittelstand entwickelt. Dabei setzen wir nicht einfach nur auf ein „Mehr“ an Fördermitteln, sondern schaffen Maßnahmen, die Mut zum innovativen, unternehmerischen Handeln geben. Unter dem Motto „Vorfahrt für den Mittelstand“ setzen wir mit unserem Zehn-Punkte-Programm in zentralen Handlungsfeldern an. Mit der Umsetzung des Zehn-Punkte-Programms wird das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Förderung für kleine und mittlere Unternehmen in dieser Legislaturperiode bis 2017 um 30 Prozent auf rund 320 Millionen Euro pro Jahr im Vergleich zu 2013 erhöhen. Das ist ein Rekordwert.

Wir arbeiten zudem daran, die Gründungsdynamik in Deutschland zu stärken. Denn Start-ups sind die Marktführer von morgen und eine wichtige Quelle für innovative Geschäftsideen, kreative Prozesse und neue Produkte. Exzellente Forschung kann ein Grundstein für die Entstehung und den Erfolg innovativer Geschäftsideen sein. In Wissenschaft und Forschung muss es daher noch stärker als bisher gelingen, den Weg für Gründungen als eine Option der Verwertung von Forschungsergebnissen zu bereiten. Deshalb werden wir neue Ansätze für Bildung zur unternehmerischen Selbständigkeit und Verwertungskompetenz aus der Forschung heraus entwickeln, die zu einer stärkeren Gründungs- und Verwertungskultur in der Wissenschaft beitragen. Wir werden zudem Start-ups in der Forschungsförderung künftig verstärkt ansprechen, Zugangshürden abbauen und die Förderung zielgenauer auf die Bedürfnisse junger Unternehmerinnen und Unternehmer zuschneiden.

Der Einsatz neuer Technologien zur Digitalisierung erfordert neben der zentralen wirtschaftlichen Betrachtung auch eine gesellschaftliche Flankierung. Wir müssen die Menschen und die Unternehmen, in denen sie arbeiten, mitnehmen, wenn es um die Frage geht, wie sieht der deutsche Industriearbeitsplatz in Zukunft aus. In der Industrie 4.0 verzahnt sich die Produktion und Dienstleistung mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik. Die digitale Befähigung des Mittelstandes ist hierbei für uns von zentraler Bedeutung. Denn Unternehmen und ihre Belegschaften sind gefordert, ihre Wandlungsfähigkeit immer wieder neu unter Beweis stellen.

Mit der Forschungsförderung von neuen innovativen Lösungen will das Bundesministerium für Bildung und Forschung den Herausforderungen der Digitalisierung begegnen und Chancen für Wertschöpfung und Wohlstand in Deutschland eröffnen. Um der Bedeutung von „Industrie 4.0“ gerecht zu werden, fördern wir diese Thematik im Gesamtkontext, also Produktionsbereich und Informatik genauso wie in der Arbeitsgestaltung – mittlerweile mit mehr als 470 Millionen Euro seit 2012.

Wir wollen auch weiterhin die Entstehung von Innovationen fördern, die den digitalen Paradigmenwechsel unserer Wirtschaft und Gesellschaft gestalten. Eine neue nationalen Bekanntmachung, die insbesondere die Kooperation stärken soll – die Kooperation im eigenen Unternehmen, aber auch die Kooperation zwischen den Unternehmen in Wertschöpfungsnetzwerken ist gestern (10. Mai 2017 ) im Bundesanzeiger veröffentlicht worden: „Industrie 4.0 - Kollaborationen in dynamischen Wertschöpfungsnetzwerken (InKoWe)“. Das BMBF sieht Ihren Projektvorschlägen schon mit Spannung entgegen.

Meine verehrten Damen und Herren,
die digitale Transformation zur Industrie 4.0 verändert Arbeitsprozesse, fordert mehr Flexibilität und neue Qualifikationen von den Beschäftigten. Prognostiziert wird, dass gerade die einfachen oder ungelernten Berufe ersetzt und dafür neue kreative wie qualifizierte Berufsfelder erschlossen werden. Mit den Ländern, Verbänden, Kammern und Bildungseinrichtungen arbeiten wir intensiv daran, sowohl die Ausbildungen und Weiterbildungen als auch die akademische Bildung an die neuen Anforderungen anzupassen.

Was unser Land auszeichnet, ist nicht nur seine Innovationsfähigkeit, sondern auch die Sozialpartnerschaft und der soziale Zusammenhalt. Zwei Drittel aller Beschäftigten in Deutschland erfahren bereits heute an ihrem Arbeitsplatz die Auswirkungen des digitalen Wandels. Die Wertschöpfung vollzieht sich in neuen Strukturen und fordert von den Menschen neue Kompetenzen. Flexible Arbeitsgestaltung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, neue Berufsbilder und Entwicklungsmöglichkeiten sind die positiven Aussichten auf die Arbeit von morgen. Die Gefahr der Selbstausbeutung, immer neue Anforderungen an Kompetenzen, die Entwertung des Gelernten und vor allem der Verlust von Arbeitsplätzen sind die düsteren Aussichten auf die zukünftige Arbeitswelt.

Entscheidend für uns ist, auch im digitalen Zeitalter die bewährten Grundsätze für gute Arbeit zu erhalten! Wie schaffen wir dies?

Mit unserem neuen Forschungsprogramm „Zukunft der Arbeit“ wollen wir Gestaltungsoptionen für die Arbeit von morgen finden und sicherstellen, dass technologische und soziale Innovationen gleichermaßen vorangebracht werden. Im Juni letzten Jahres (2016) haben wir dazu das Kompetenzzentrum „Future Work Lab“ auf den Weg gebracht. Dieses wird ein Innovationslabor für Arbeit, Mensch und Technik am Standort Stuttgart werden. Es soll als interaktives Schaufenster und Ideenzentrum für die zukunftsfähige und menschzentrierte Arbeitsgestaltung in Produktion und produktionsnahen Bereichen sowie in Forschung und Entwicklung fungieren.

Die "Zukunft der Arbeit" ist auch Thema des Wissenschaftsjahres 2018 – das hat Bundesforschungsministerin Johanna Wanka verkündet. Wie unsere Arbeit künftig aussehen wird, soll also nicht mehr nur Arbeitnehmer, Unternehmer, Sozialpartner und Politik beschäftigen, sondern auch Thema in der breiten Öffentlichkeit werden. Ziel der Wissenschaftsjahre ist es, die Bevölkerung stärker für Wissenschaft zu begeistern und sie in aktuelle Entwicklungen einzubeziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

von Werner von Siemens ist die Weisheit überliefert: „Es kommt nicht darauf an, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen, sondern mit den Augen die Tür zu finden“.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für diese Veranstaltung einen regen Informationsaustausch, viele neue Impulse und auch Erfolg beim Finden neuer Türen.