Schwierige Situation und bewundernswertes Engagement in Kolumbien und Bolivien

08.11.2022

Mit dem Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat Thomas Rachel Kolumbien und Bolivien besucht.
In diesem Beitrag fasst er kurz einige bemerkenswerte Punkte der Reise zusammen:

Kolumbien hat bereits 2,5 Mio. Geflüchtete aus Venezuela aufgenommen. Alleine der von uns besuchte legale Grenzübergang Cucuta wird täglich von 35.000 Menschen überquert.
Der seit fünf Jahrzehnten andauernde bewaffnete Konflikte in Kolumbien hat 8 Millionen Menschen zu Binnenflüchtlingen sowie Heimat- und arbeitslos gemacht.
Das von Deutschland über die GIZ geförderte Projekt PROINTEGRA ermöglicht Flüchtlingen eine Textil-Ausbildung, um anschließend in Textilbranche Arbeit zu finden oder die Kenntnisse in eigener Schneiderei anzuwenden.
Mit einer Bürgervertretung haben wir gesprochen, die ihr Stadtviertel Maria Theresia legalisiert hat. Das ermöglicht Strom für die Menschen durch die Kommune. Es fehlt eine Kita, Wasser steht nur an einem Tag in der Woche zur Verfügung.
Erschütternd war das Gespräch mit Müttern, die ihre Familienangehörigen im gewaltsamen Bürgerkrieg in Kolumbien zwischen Guerillas, Paramilitärs, Drogenkartellen sowie Militärs verloren haben. 100.000 dieser Zwangsverschwundenen müssen gesucht und ihre Überreste oft in Massengräbern identifiziert werden.
Nach unserem Gespräch mit ihnen gilt mein großer Respekt auch den Vertretern der Sucheinheiten, der Wahrheits-Kommission und der Sondergerichte, die trotz persönlicher Bedrohungen den betroffenen Müttern helfen, Täter identifizieren und sie mit Opfern konfrontieren und so konkret zum Friedensprozess in Kolumbien beitragen.
Gerechtigkeit, Wahrheit und Wiedergutmachung sollen im Rahmen des Friedensabkommens zur Aussöhnung beitragen. Dieses hat breite Unterstützung verdient.

Viel Armut gibt es in Bolivien. Pater Josef Neuenhofer, der Gründer der Fundacion Arco Iris (Regenbogenstiftung) hat die Mission, Straßenkindern in La Paz in acht Heimen Zuflucht zu geben, 1.000 Kinder zu ernähren und zu alphabetisieren. Ein bewundernswertes Engagement. „Die Straßenkinder tragen eine Wunde“, sagte er: „Sie sind ungeliebt. Deshalb brauchen sie Fürsorge und Unterstützung.“ Er ist übrigens der Bruder des katholischen Pfarrers Georg Neuenhofer aus Hürtgenwald (Gey) im Kreis Düren.
Das von der Stiftung unterstützte Krankenhaus  ist das zweitbeste des Landes. Dessen Energiekosten wurden mit deutscher Unterstützung der Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit gesenkt.
Bolivien verfügt über viele indigene Völker, große Tropenwälder und eine große Artenvielfalt. Im Gespräch mit dem Vizepräsident Boliviens, David Choquehuanca Cespedes, haben wir über Umwelt gesprochen, aber auch für fairen Umgang zwischen Regierung und Opposition und eine Justizreform geworben. Die Gewaltenteilung ist stark gefährdet.
Die Worte der sozialistischen Regierung standen leider im hartem Kontrast zu den Schilderungen der Gesprächspartner im Lande. Danach handelt die Regierung zu zögerlich und befeuert teilweise mit formellen und informellen Bergbau, Holzeinschlag, mangelnder Abwasserwirtschaft und Entwaldung die Belastung von Flüssen, Naturschutzgebieten und Tropenwald.
Die demokratische Oppositionsparteien leiden massiv unter dem Druck des Machtapparats der regierenden sozialistischen MAS-Partei:
„Wir sind nicht auf dem Weg zu einem autoritären Staat, wir sind im autoritären Staat.“
Die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung  sowie das UN-Büro versuchen einen Dialog zwischen den politischen Akteuren und Lagern im geschützten Raum im Rahmen eines Programms De-Polarisierung  zu ermöglichen.
Mit der Seilbahn ging es zu einer Wasseraufbereitungsanlage auf 4.260 m Höhe in El Alto. In den 60ern gebaut und den 70er Jahren erweitert, versorgt die mit deutscher Entwicklungszusammenarbeit geförderte Trinkwasseranlage rund 2 Millionen Menschen.