Lernmobilität in Europa für Auszubildende stärken - Mobilitätstag 2019

11.10.2019

Lesen Sie hier meine Rede anlässlich des Mobilitätstags 2019 am 10. Oktober 2019 in Köln:

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Richter,

sehr geehrter Herr Dr. Giefers,

sehr geehrter Herr Überacker,

sehr geehrter Herr Fahle und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nationalen Agentur,

sehr geehrte Ausbilderinnen und Ausbilder, sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer,

liebe Auszubildende!

Im Namen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung begrüße ich Sie ganz herzlich zum Mobilitätstag 2019. Ich freue mich, dass wir heute bei Ihnen, Herr Dr. Giefers, in der INEOS Manufacturing GmbH zu Gast sein dürfen. Vielen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von INEOS für den herzlichen Empfang! Ein besonderer Dank geht an Herrn Überacker stellvertretend für den Landesausschuss Arbeitgeber Chemie Nordrhein-Westfalen und natürlich an das Team der Nationalen Agentur Bildung für Europa beim Bundesinstitut für Berufsbildung für die perfekte Organisation dieser Veranstaltung.

Eine Veranstaltung, bei der Sie, liebe Auszubildende, im Mittelpunkt stehen. Wir alle sind hierher nach Köln gekommen, um Ihre Erfahrungen, Ihre Anregungen, Ihre Botschaften zu hören. Denn wenn wir auf politischer Ebene Auslandsaufenthalte während der Ausbildung fördern wollen, müssen wir wissen, was für Sie, die Auszubildenden, wichtig ist.
• Wie sollten Auslandsaufenthalte gestaltet sein, damit sie eine Bereicherung für die persönliche und berufliche Zukunft der Teilnehmenden sind?
• Wie können Ausbildungsbetriebe, berufliche Schulen und Bildungspersonal bei der Organisation von Auslandsaufenthalten noch besser unterstützt werden?

Der Mobilitätstag wurde ins Leben gerufen, damit wir diese Fragen gemeinsam diskutieren können.
Zusammen können wir dazu beitragen, Lernmobilität in Europa besser, bekannter und für alle zugänglich zu machen. Denn hier ist unser aller Engagement gefragt:
1.)  Die Initiative der Auszubildenden selbst, den Schritt ins Ausland zu wagen und sich auf ein neues Umfeld, neue Arbeitsweisen und neue Kolleginnen und Kollegen in einem anderen Land einzulassen;
2.) Das Engagement der politischen Verantwortlichen auf EU-, Bundes- und Landesebene, die mit Förderprogrammen wie Erasmus+ die Strukturen und Mittel für Lernaufenthalte im Ausland bereitstellen;
3.) Und die Bereitschaft der Ausbildungsbetriebe, mit Mobilitätsangeboten in die fachliche Entwicklung ihrer Auszubildenden zu investieren.

Liebe Auszubildende,
„Ich bin selbstständiger geworden“, „Ich traue mir jetzt viel mehr zu“, „Ich konnte mein Fachwissen anwenden und habe viel dazugelernt“ – einige von Ihnen haben diese Sätze sicher schon oft gesagt, wenn Sie gefragt wurden, wie es denn im Ausland war. Die Erfahrung, in einer fremden Umgebung auf sich allein gestellt zu sein, sich in einer unbekannten Umgebung zurechtzufinden, neue Leute kennenzulernen und mit ihnen in einer Fremdsprache zu kommunizieren und zu arbeiten – und dies alles erfolgreich gemeistert zu haben – das prägt die Persönlichkeit. Sicher war es nicht immer leicht. Und sicher haben Sie einige Ideen, wie man das Angebot von Erasmus+ verbessern kann. Ihre Anregungen für Erasmus+ sind wertvoll, denn Erasmus+ ist wertvoll für Europa. In einer Zeit, in der Nationalismus und Populismus an Zuspruch gewinnen, sind persönliche Begegnungen über Grenzen hinweg umso wichtiger. Denn: Wer sich selbst einmal fremd gefühlt und Gastfreundschaft erfahren hat, wird anderen gegenüber offener sein. Er oder sie hat gelernt, dass man das, was einem fremd erscheint, kennen und verstehen lernen kann. Das ist es, was Europa ausmacht!

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Ich wünsche mir, dass mehr Menschen die Möglichkeit nutzen, mit und von Europa und der Welt zu lernen. Die Bundesregierung hat sich für die aktuelle Legislaturperiode das Ziel gesetzt, Auslandsaufenthalte in jedem Abschnitt des Bildungsweges zu fördern. Dies gilt besonders für Auszubildende. Wir wollen, dass für Auszubildende ein Lernaufenthalt im Ausland genauso selbstverständlich wird, wie für Studierende.

2013 hat der Deutsche Bundestag das Ziel formuliert, dass bis zum Jahr 2020 10% der Auszubildenden eines Jahrgangs Auslandserfahrung gesammelt haben sollen. Eine BMBF-finanzierte Studie der Nationalen Agentur beim BIBB hat gezeigt, dass im Jahr 2017 5,3% der Auszubildenden mobil waren. 2018 waren es Hochrechnungen zufolge 6%, in diesem Jahr (2019) werden es 7% sein. Es ist ein sportliches Ziel, die 10% -Quote bis 2020 zu erreichen, aber wir arbeiten hart daran, dass die Mobilitätszahlen stetig ansteigen.

Dass wir auf einem guten Weg sind, zeigen nicht zuletzt die beeindruckenden Mobilitätszahlen im Land Nordrhein-Westfalen. Hier gibt es besonders aktive Berufskollegs, die bereits 10% ihrer Schülerinnen und Schüler ins Ausland entsenden. Diese Erfolge sind einer landeseigenen Strategie zu verdanken, über die Staatssekretär Richter später sicher mehr berichten wird.
Im Rahmen der Mobilitätsstudie von 2017 wurden Ausbildungsbetriebe befragt, was zur Teilnahme an Mobilitätsangeboten motivieren kann. Mehr finanzielle Unterstützung war ein Faktor, den die befragten Betriebe für wichtig hielten. Daher investiert das Bundesministerium für Bildung und Forschung in Mobilitätsprogramme.

Das deutsch-französische Programm ProTandem fördert den Austausch zwischen deutschen und französischen Azubi-Gruppen. Die Teilnehmenden lernen mindestens drei Wochen lang einen Betrieb oder eine Berufsschule im Partnerland kennen und treffen ihre Austauschpartner bei einem Rückaustausch wieder. Auch mit Israel haben wir ein Programm für die Zusammenarbeit in der Berufsbildung, das dieses Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert.

Wenn durch Erasmus+ Ihr Fernweh geweckt wurde, könnte Sie das Programm AusbildungWeltweit interessieren. Hier können Betriebe in Deutschland Fördermittel beantragen, um Auszubildenden oder betrieblichem Bildungspersonal einen Aufenthalt außerhalb Europa zu ermöglichen. Mit AusbildungWeltweit gehen Azubis für ein Praktikum beispielsweise nach China, Indien, Kanada oder Russland und kommen mit vielen prägenden Lern- und Lebenserfahrungen zurück. In den nächsten Jahren wollten wir AusbildungWeltweit mit Hilfe der Nationalen Agentur beim BIBB weiter ausbauen. Vielleicht können wir ja einige der hier anwesenden Betriebe für das Programm gewinnen?

Mehr als die Hälfte aller Auslandsaufenthalte in der Berufsbildung werden laut der Mobilitätsstudie von 2017 durch öffentliche Gelder gefördert. Erasmus+ ist derzeit mit Abstand das wichtigste Förderprogramm. In der Bundesregierung wissen wir den immensen Beitrag dieses Erfolgsprogramms zum Zusammenwachen Europas zu schätzen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung setzt sich gemeinsam mit dem Bundesfamilienministerium und den Ländern auf europäischer Ebene dafür ein, die nächste Programmgeneration von Erasmus+ so auszugestalten, dass möglichst viele Menschen im Laufe ihrer Lernbiographie die Möglichkeit bekommen, Auslandserfahrung zu sammeln. Dafür sieht der Programmentwurf der Europäischen Kommission für das neue Programm Erasmus+ ab 2021 ein deutlich erhöhtes Budget vor. Für das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist es besonders wichtig, dass der Programmbereich der beruflichen Bildung gestärkt wird.
Die berufliche Bildung wollen wir auch während der deutschen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 in den Fokus der europäischen Öffentlichkeit rücken. Europa braucht eine exzellente Berufsbildung, um die Herausforderungen der Digitalisierung und des Fachkräftemangels zu bewältigen. In Zukunft werden sich die Qualifikationsprofile verändern. Der Fort- und Weiterbildungsbedarf wird wachsen. Für diesen Bedarf müssen wir in Europa hochwertige Angebote bereitstellen. Hierbei spielen Lernaufenthalte im Ausland eine wichtige Rolle. Gerade deshalb werden wir als Ratspräsidentschaft der neuen Programmgeneration von Erasmus+ besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen. Ihre Botschaften, liebe Auszubildende, sind dafür wichtige Impulse.
Denn – das zeigen Ihre Erfahrungsberichte, liebe Auszubildende: Erasmus+ wirkt! Erasmus+ wirkt im Leben der Teilnehmenden und auch in den Betrieben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
in einer globalisierten Welt, in unserem vernetzten Europa, ist Fähigkeit, sich auf Neues einzulassen und voneinander zu lernen, enorm wichtig. In global agierenden Unternehmen müssen Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Kulturen und an verschiedenen Standorten Probleme gemeinsam lösen. Sie aus der international ausgerichteten Chemiebranche kennen diese Anforderungen. Die Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen, die bereits Auslandsaufenthalte mit Erasmus+ anbieten, wissen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Auslandserfahrung ein Gewinn für Ihr Unternehmen sind. Auszubildende, die einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland verbracht haben, haben ihren fachlichen Horizont erweitert, haben ihre Fremdsprachenkenntnisse in der Praxis verbessert und sich persönlich weiterentwickelt. Daher bieten Unternehmen wie INEOS Auslandsaufenthalte als Bestandteil der Ausbildung an.

Ich betone bewusst „Bestandteil der Ausbildung“, denn Lernaufenthalte im Ausland werden noch zu oft als Privatvergnügen angesehen, für das Auszubildende Urlaub nehmen müssen. Hier sage ich ganz klar: So geht es nicht! Die Betriebe dürfen die Auszubildenden nicht allein lassen. Erasmus+ verlangt nicht nur Engagement von den Teilnehmenden, sondern auch von den Betrieben. Ein Auslandsaufenthalt ist eine Investition in die Zukunft Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Und: Die Möglichkeit, mit Erasmus+ ins Ausland zu gehen, macht die Unternehmen nicht zuletzt auch attraktiv für zukünftige Fachkräfte. Ein echtes Plus im Wettbewerb um die besten Talente!

Ich hoffe, dass ich mit diesen Argumenten nun auch den anwesenden Vertreterinnen und Vertretern von Unternehmen Appetit auf Mobilitätsprogramme wie Erasmus+ und AusbildungWeltweit gemacht habe, die bislang noch keine Lernaufenthalte im Ausland anbieten. Schön, dass Sie heute hier sind und an der Diskussion teilnehmen!

Meine Damen und Herren, liebe Auszubildende,
ob Ihr Unternehmen nun schon an Mobilitätsprogrammen teilnimmt oder es aus konkreten Gründen nicht tut, ob Sie für eine Bildungseinrichtung, eine Bundes- oder Landesbehörde, einen Verband oder eine Kammer arbeiten; ob Sie in der Nationalen Agentur beim BIBB Auslandsaufenthalte mit Erasmus+ vermitteln oder ob Sie selbst Auslandserfahrung gesammelt haben: Wir haben es in der Hand, Mobilität zu ermöglichen. Gemeinsam können wir darauf hinarbeiten, Hürden für die Durchführung von Auslandsaufenthalten abzubauen und so noch mehr Auszubildenden die Möglichkeit geben, von und in Europa zu lernen. Ich lade Sie herzlich ein, mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung den Dialog zu treten. Der Mobilitätstag ist eine gute Plattform, um heute damit zu beginnen. In diesem Sinne freue ich mich auf die kommenden zwei Stunden.

(Hinweis: Es gilt das gesprochene Wort!)