Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen, der Stiftungen und der kommunalen Bildungseinrichtungen,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Transferagenturen,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
in der letzten Woche war ich – wie so oft – viel in Deutschland unterwegs: Am Dienstag fuhr ich nach Stolberg, um mit Bürgern zu diskutieren. Dann fuhr ich einmal quer durch die Republik über Berlin nach Radebeul. Dort ging es am Mittwoch um die Frage, wie Studienabbrecher für die berufliche Bildung gewonnen werden können. Und am Donnerstag wieder zurück in die andere Richtung nach Düren zu einem Mädchengymnasium.
Überall bin ich großartigen Menschen begegnet, die sich für ihre Sache mit ganzer Kraft engagieren. Mal sind es Lehrende, die mit spannenden Konzepten die Talente ihrer Schüler zum Leuchten bringen; mal Beamte in den Kommunen, die neue Ideen entwickeln, um benachteiligten Jugendlichen den Weg in Ausbildung oder Studium zu ebnen; mal sind es Bürgerinnen und Bürger, die beispielsweise Flüchtlingen Deutschunterricht geben.
Nach solchen Besuchen kehre ich beglückt nach Berlin zurück, weil ich wieder einmal selbst erleben durfte, wie gut unsere Bürgergesellschaft funktioniert. Weil Menschen sich kümmern und sich zusammentun, um das Leben der Mitbürger in ihrer Stadt ein bisschen besser zu machen. Weil Unternehmer und Kommunalpolitiker gemeinsam daran arbeiten, jungen Menschen Zukunftsperspektiven zu eröffnen. Und auch, weil Jüngere und Ältere gemeinsam Neues lernen. So entsteht Zusammenhalt.
Bei den besorgniserregenden Nachrichten über Ereignisse wie in Köthen und Chemnitz, machen mich diese Besuche immer wieder optimistisch. Und als Bundespolitiker auch ein Stück weit demütig. Denn diesen Zusammenhalt, den kann niemand von Berlin aus verordnen. Der entsteht vor Ort.
Es lohnt sich, von Ort zu Ort zu fahren, um das zu erleben. Trotzdem muss ich zugeben: Zuweilen ist das ein bisschen anstrengend. Und so empfinde ich es als besonderes Privileg, dass es heute umgekehrt ist, und ich so viele Menschen aus der ganzen Republik hier in Berlin begrüßen kann: Vom Oberallgäu bis Schleswig-Flensburg; vom Saarland bis zum Landkreis Görlitz. Einige von Ihnen kommen aus Städten, andere aus ländlichen Räumen – oder aus einer der Konstellationen dazwischen. So vielseitig wie unser Land, so vielseitig sind Sie.
Ich heiße Sie alle auch im Namen von Frau Bundesministerin Anja Karliczek herzlich willkommen in Berlin! Die Ministerin hätte die Konferenz heute gerne selbst eröffnet. Leider sind ihr dringende Termine dazwischen gekommen.
I.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Stärke unserer vielen ganz unterschiedlichen Gemeinden, die ich bei meinen Besuchen immer wieder erlebe, ist eine besondere Stärke des föderalen Deutschlands.
Wer in eine andere Stadt oder ein anderes Bundesland umziehen möchte, der guckt sich den Ort genau an: Welche Angebote gibt es dort? Gibt es genügend und gute Kitas? Gibt es ein attraktives Volkshochschulangebot? Gibt es Ausbildungsplätze? Wie steht es um die nächste Bücherei oder Bibliothek?
Hier stehen die Gemeinden auch im Wettbewerb zueinander. Das kann ein Anreiz sein, noch attraktiver, noch besser zu sein.
Was gut für die Gemeinde ist, das wird vor Ort entschieden. Denn die Menschen vor Ort können das am besten beurteilen. Das gilt auch für den Bildungsbereich. Bildung gelingt vor Ort in der Kommune. Dort wachsen unsere Kinder auf, dort gehen sie zur Schule. Dort absolvieren sie eine Ausbildung oder ein Studium.
Wenn wir es ernst damit meinen, dass jeder die Chance haben soll, seine Talente zu entfalten und teilzuhaben, dann müssen wir jeden dort abholen, wo er steht. Das geht nur vor Ort. Es ist der Trainer im Fußballverein, der die Begabung des jungen Torwarts erkennt und fördert. Es sind Vorgesetzte, die wissen, wo sie ihre Mitarbeiter unterstützen müssen.
Es gibt ganz unterschiedliche Bildungsorte: in den Betrieben, den beruflichen Weiterbildungsstätten, den Volkshochschulen, den Vereinen, den Kirchengemeinden und viele mehr. Auch politische Bildung – heute wichtiger denn je – findet größtenteils außerhalb des Klassenzimmers statt. Und in jedem Alter. Wir lernen ein Leben lang.
Bildung verbindet Menschen. Viele der anwesenden Kommunen bieten wundervolle Beispiele dafür.
Ich denke zum Beispiel an Regensburg. Dort gibt es die „Freizeitsporthalle 37“, in der insbesondere auch Flüchtlinge und Asylsuchende kostenlos Sport machen können. Ganz informell treffen sich so Einheimische und neu Hinzugekommene. Besser kann Integration nicht funktionieren.
Die Stadt Regensburg setzt dabei auf ein aufgebautes Netzwerk und arbeitet daran, gezielte Informationsveranstaltungen mit Bildungseinrichtungen durchzuführen.
II.
Solche großartigen Initiativen lerne ich bei meinen Besuchen im Land immer wieder kennen. Und manches Mal denke ich dann: „Warum gibt es das nicht bei uns? Das könnten wir gut gebrauchen. Und das würde auch bei uns funktionieren.“
Deswegen gibt es die „Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement“. Und deswegen treffen wir uns heute hier in Berlin. Damit solche Beispiele Schule machen. Damit wir voneinander lernen können. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert diese Intiative jetzt in der 2. Phase mit 10-12 Mio. Euro pro Jahr. Ein bundesweites Netzwerk aus neun Transferagenturen hat Zielvereinbarungen mit über 220 Kommunen zum Aufbau eines datenbasierten Bildungsmanagements abgeschlossen.
Wir sammeln die Vielfalt, die Sie alle mitbringen und schaffen daraus eine Einheit. Die Initiative ist themenoffen – das heißt sie nimmt neue, zeitgemäße Herausforderungen an. Sie liefert Know-How und trägt zu Ihrer Vernetzung untereinander bei, um effektive und gute Lösungen für individuelle Herausforderungen zu finden.
Unser Motto der heutigen Veranstaltung – „Bildungsort Kommune“ – liest sich zwar im Singular, spricht aber von einer Vielzahl von Kommunen. Sie alle können sich angesprochen fühlen, denn der elementare Bestandteil dieses Mottos trifft auf jeden hier zu.
Mit Ihrer Arbeit vor Ort im Bildungsmanagement tragen Sie dazu bei, bundesweit dieselben strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, bundesweit einen gemeinsamen Standard im Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene einzuführen und bundesweit die kommunalen Bildungssysteme zu modernisieren. Denn ob Menschen die Chance auf gute Bildung haben, darf nicht zufällig vom Wohnort abhängen. Diese Chance muss überall gewährleistet sein. Auch das bedeutet Chancengerechtigkeit in der Bildung. Dafür müssen wir uns – bei allem Respekt für den Föderalismus - deutschlandweit noch stärker vernetzen.
III.
Letztlich stehen wir deutschlandweit vor den gleichen Herausforderungen. Und die sind gewaltig. Das Tempo der Veränderungen ist so rasant gestiegen, dass nicht wenige fürchten, bei diesem Tempo nicht mehr mithalten zu können.
Ich sehe es auch an mir selbst. Die gute alte Gittermappe, in der alle Unterlagen sorgfältig sortiert übereinander lagen, wird immer öfter durch eine Mail abgelöst. Mit fünf Anhängen, durch die ich mich dann durchklicken soll. Bequem ist das nicht immer. Immer wieder muss Neues gelernt werden. So geht es uns allen.
Es ist ein technologischer Sprung, den unsere Gesellschaft gerade vollbringen soll. Und wenn wir wollen, dass alle gemeinsam springen, dann müssen wir uns alle gemeinsam anstrengen. Jeder an seinem Platz.
Wieder zum Beispiel Schulen: Unsere Kinder sind die sogenannten digital natives. Sie sind mit dem Smartphone aufgewachsen. Es gehört zu ihrer Lebenswelt. Diese Lebenswelt in der Schule außen vor zu halten, geht einfach nicht mehr.
Und warum sollten wir die Chancen, die in digitaler Bildung stecken, vorbeiziehen lassen, die Lernprogramme, mit denen Kinder individuell gefördert werden können, ungenutzt lassen? Auch sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Chancengerechtigkeit.
Deswegen machen wir mit dem Digitalpakt unsere Schulen fit für das digitale Zeitalter. Der Bund investiert in die Infrastruktur. Aber auch hier gilt, Bildung erfolgt am Ende vor Ort. Die Lehrer müssen die Infrastruktur zu nutzen wissen. Sie brauchen gute Konzepte, damit sie mit Hilfe digitaler Lernprogramme tatsächlich Kinder individuell fördern. Jedes seinen Talenten entsprechend.
Und es geht nicht nur um die Schulkinder. Die Konzepte müssen sich auf die ganze Kommune beziehen. Ebenso wichtig sind beispielsweise die Berufsschulen und Weiterbildungsangebote. Die Arbeitswelten der Zukunft werden anders aussehen als heute. Die Anforderungs- und Kompetenzprofile vieler Berufe werden sich wandeln. Allrounder mit digitalen Kompetenzen sind gefragt.
Auch hier liefern Sie im Rahmen der Transferinitiative bereits durchdachte Ansätze. Die Medienbildungsagentur im Kreis Lippe entwickelt momentan ein digitales Klassenzimmer, um die „Schule von morgen“ erfahrbar zu machen. Das digitale Klassenzimmer ist dabei nicht nur ein Austragungsort für Vorträge, sondern auch ein kreativer Raum für Lehrerinnen und Lehrer, die den medienbezogenen Diskurs suchen und Medientechnik ausprobieren möchten.
Nicht nur aktive Lehrende werden angesprochen. Auch Seniorinnen und Senioren sind eine wichtige Zielgruppe. Denn jeder muss sich weiterbilden können. In jeder Phase des Lebenslaufes. Damit Teilhabe möglich ist. Das erfordert die Digitalisierung.
Sie erleichtert es aber auch. Die Digitalisierung erleichtert auch Ihre Arbeit, sehr geehrte Damen und Herren. Und ich möchte Sie ermutigen, die Chancen zu nutzen.
Nur ein Beispiel: Es gibt die App INTEGREAT. Für viele der kommunalen Koordinatorinnen und Koordinatoren [der Bildungsangebote für Neuzugewanderte ] unter Ihnen dürfte sie ein Begriff sein.
Die App schafft für Neuzugewanderte einen Überblick über geeignete Bildungsangebote, unterstützt aber auch die Kommunen dabei, Akteure zu vernetzen und Handlungsbedarfe zu identifizieren. 45 Kommunen und Landkreise setzen sie bereits aktiv ein.
Vernetzung ist das zentrale Stichwort der Transferinitiative. Vor allem in der Zusammenarbeit zwischen Staat und Zivilgesellschaft liegt ein enormes Potential. Darum freue ich mich, dass heute neben den kommunalen Vertreterinnen und Vertretern auch viele Gäste aus Stiftungen und Vereinen anwesend sind und ihre Arbeit im Laufe des Tages auch präsentieren werden.
Die Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement bietet Ihnen das Wissen und die „Werkzeuge“, die Sie für Ihre Arbeit benötigen. Ein zentraler Punkt ist dabei das Bildungsmonitoring:
Um Chancengerechtigkeit zu verbessern, eignet sich die „Gießkanne“ als Werkzeug nicht. Wir müssen unsere Ressourcen gezielt einsetzen.
Dazu benötigen wir differenzierte Daten über die Verteilung sozialer Risikolagen. Auf dieser Grundlage kann die Ausstattung von Bildungseinrichtungen besser gesteuert werden. Und denen, die in sozial schwierigen Quartieren leben, können bessere Bildungsangebote gemacht werden.
Letztendlich entscheidend ist die gute Zusammenarbeit aller Akteure vor Ort. Sie alle, sehr geehrte Damen und Herren, bringen Beispiele für solche gute Zusammenarbeit mit. Nutzen Sie die Gelegenheit hier in Berlin, sich darüber auszutauschen. Wir haben heute einen umfangreichen Marktplatz vorbereitet, auf dem Sie Ideen, Erfahrungen und Ergebnisse von Kommunen aus ganz Deutschland finden können.
Der deutsche Schriftsteller Horst Wolfram Geißler sagte: „Die Heimat ist ja nie schöner, als wenn man in der Fremde von ihr spricht.“ Darum: Sprechen Sie über Ihre Heimat. Finden Sie Gemeinsamkeiten, finden Sie Unterschiede, finden Sie etwas, das Sie für sich wieder mit nach Hause nehmen können.
Und da ich weiterhin viel durch die Gegend fahren werde, hoffe ich, dass ich einige von Ihnen bald einmal in Ihrer Heimat wiedertreffen werde. Ich bleibe gespannt auf die vielen großartigen Initiativen, mit denen wir alle gemeinsam Menschen unterstützen möchten, damit sie ihre Talente entfalten. Damit jeder seinen Platz findet in unserer Gesellschaft. Damit diese Gesellschaft zusammenhält.
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