ELSA-Förderschwerpunktes des BMBF

27.04.2016

Meine Ansprache anlässlich der Eröffnung des fünften Statusseminares des ELSA-Förderschwerpunktes des BMBF am 25. April 2016 im BMBF in Berlin

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich begrüße Sie alle hier im Gebäude des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Berlin zum fünften Statusseminar des Förderschwerpunktes zu den „Ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten der modernen Lebenswissenschaften“. Ich freue mich ganz besonders, nach 2013 auch das diesjährige "ELSA" Statusseminar zu eröffnen.

Die ELSA-Forschung hat eine verantwortungsvolle Aufgabe. Sie erarbeitet die wissenschaftlichen Grundlagen, mit denen wir die Chancen und Risiken der modernen Lebenswissenschaften beurteilen und abwägen können. Sie zeigt uns, welche grundlegenden Fragen mit wichtigen Innovationen verbunden sind und welche Implikationen ihre Umsetzung für den Einzelnen, bestimmte Gruppen oder die Gesellschaft insgesamt haben können.

Seit 1997 unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung diesen Bereich und hat hierfür bisher mehr als 50 Mio. Euro bereitgestellt. Ich sage heute mit einem gewissen Stolz: Unsere kontinuierliche Förderung hat dazu beigetragen, dass sich die ELSA-Forschung in Deutschland durch eine hohe Qualität auszeichnet. Diese Forschung ist uns auch deshalb so wichtig, weil sie die Grundlagen für wissenschaftsbasiertes politisches Handeln liefern kann. Wir fokussieren unsere ELSA-Fördermaßnahmen ganz bewusst auf die Themengebiete der Lebenswissenschaften, die wir aus gesellschaftlicher Sicht für besonders bedeutend halten. Ihre Forschungsergebnisse können damit auch gesellschaftliche und politische Weichenstellungen beeinflussen.

In Vorträgen und Postern werden Sie heute Ihre aktuellen Forschungsarbeiten, Diskurse und Klausurwochen vorstellen und gemeinsam diskutieren. Ich freue mich sehr, dass alle laufenden Projekte auf diesem Statusseminar vertreten sind. Das unterstreicht Ihr Engagement für den ELSA-Förderschwerpunkt.

In Ihren Projekten arbeiten Sie ein breites Spektrum aktueller ELSA-Themen auf – das verrät uns schon ein Blick in das Programm. Wir werden von den ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten der modernen Diagnostik, des Wissenstransfers und der systemmedizinischen Forschung hören. Auch die Planungen im Bereich ELSA zur Stammzellforschung und zu den Neurowissenschaften werden vorgestellt. Die Klausurwochen und Diskurse greifen auf vielfältige Weise weitere aktuelle und relevante Themen auf. Ein vielversprechendes Programm und nicht zuletzt auch eine hervorragende Gelegenheit, um in den Sessions aber auch auf den Fluren miteinander in den direkten Austausch zu treten.

Neue Technologien in den Lebenswissenschaften bringen nicht selten Herausforderungen für die Gesellschaft mit sich. Wir müssen Hoffnungen einordnen und Probleme antizipieren, die neue Errungenschaften auslösen, sowie rechtzeitig Wege für einen verantwortungsvollen Umgang mit wissenschaftlichen Innovationen finden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt sich diesem Anspruch. Seit nahezu 20 Jahren sorgen wir dafür, dass neben der Forschungsförderung in den Lebens-wissenschaften auch die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien aufgearbeitet werden. Wir sind dabei am Puls der Diskussion. So haben wir im letzten Jahr eine Initiative gestartet, mit der wir die Forschung und Diskussion zu den ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten der Genom-Editierung fördern werden. Hierfür werden wir mehr als 4 Mio. Euro zur Verfügung stellen.

In vielen Anwendungsbereichen wird diese neue Methode umfassend genutzt und ermöglicht großartige Fortschritte. Sie ist präzise, einfach und günstig. Wir erwarten uns dadurch in vielen Bereichen echte Innovationen, die perspektivisch auch einen wesentlichen Beitrag für die Gesundheit vieler Menschen leisten können. Ich möchte an dieser Stelle nur exemplarisch die spannenden Ansätze der somatischen Gentherapie im HIV-Bereich nennen.

Doch mit den Methoden der Genom-Editierung können in machen Anwendungsfeldern auch grundsätzliche ethische und rechtliche Fragen aufgeworfen werden. So kann mit dieser Methode möglicherweise auch in neuer Qualität in die menschliche Keimbahn eingegriffen werden. Wie wollen wir mit diesem Szenario umgehen? Hier haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst im letzten Jahr durch Beiträge in Nature und Science die ethische Diskussion auf internationaler Ebene angestoßen. Die internationale Wissenschafts-gemeinschaft verständigte sich im Dezember 2015 in Washington auf eine gemeinsame Position. Zum jetzigen Zeitpunkt spricht sie sich gegen die Anwendung der Genom-Editierung in der Keimbahn des Menschen aus.

Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass häufig übergreifendes, internationales Agieren gefragt ist, gerade weil sich bei grundlegenden ethischen und rechtlichen Fragen auch die Grenzen nationaler Alleingänge zeigen. Bei der Eröffnung des Global Summit in diesem März in Berlin bezeichnete Bundespräsident Joachim Gauck das gemeinsame internationale Vorgehen in solchen Fragen als die „Suche nach einer gemeinsamen Melodie“. Und unsere ELSA Förderung ist über die Jahre zu einer verlässlichen Stimme in dieser Melodie geworden. Nicht immer die erste Stimme aber häufig genug ein grundlegendes Continuo.

Unseren ELSA-Förderschwerpunkt richten wir daher auch zunehmend international aus. So können die Sichtweisen anderer Länder vergleichend analysiert und mit in die wissenschaftliche Betrachtung einbezogen werden. Gleichzeitig erhöhen wir damit auch die internationale Sichtbarkeit der deutschen ELSA-Forschung.

Ich möchte an dieser Stelle noch einen weiteren, sehr bedeutsamen Aspekt aufgreifen, ohne den die erfolgreiche Nutzung biowissenschaftlicher Innovationen kaum möglich wäre: Den „Wissenstransfer“ zwischen Forschung und Gesellschaft!

Um neues Wissen für das Wohl der Menschen nutzen zu können, müssen wir darüber nachdenken, wie wir dieses Wissen am besten verfügbar machen. Dafür brauchen wir einen stetigen Informationsaustausch zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Einerseits müssen die Menschen erfahren, welche neuen Möglichkeiten sich durch die Forschung eröffnen, damit sie sich eine fundierte Meinung bilden können. Anderseits muss die Forschung wissen, wie die Gesellschaft diesen Fortschritt einschätzt und welche Hoffnungen und Vorbehalte möglicherweise berücksichtigt werden sollten. Dieser Informationsaustausch trägt dazu bei, dass sich Innovationen in den Lebenswissenschaften und gesellschaftlicher Konsens in dieselbe Richtung entwickeln können.

Bei dem Wissenstransfer spielen neben den klassischen Medien die modernen Kommunikationsmittel eine entscheidende Rolle. Daher ist es für uns wichtig, zu verstehen, wie moderne Wissenschaftskommunikation funktioniert. Wie verändern sich zum Beispiel Informationen auf dem Weg vom Experten über einen Journalisten bis in die Öffentlichkeit? Welchen Einfluss haben Internet und soziale Netzwerke auf die Verbreitung von biomedizinischem Wissen? Welche Auswirkungen haben gesellschaftlich geführte Diskurse auf die Wissenschaft? Um diese Fragen zu beantworten, fördern wir seit 2014 fachübergreifende Forschungsprojekte, die sich dem Wissenstransfer in den modernen Lebenswissenschaften widmen. Zum Thema ELSA Wissenstransfer und zu den Inhalten der geförderten Projekte wird eine Broschüre des BMBF erscheinen, in der der Förderschwerpunkt ausführlich dargestellt wird. Ich freue mich, dass die ersten Broschüren rechtzeitig zum Statusseminar fertig geworden sind und möchte dafür an dieser Stelle allen Beteiligten für ihr Engagement danken.

Der Wissenstransfer ist aber auch hier und heute auf dieser Veranstaltung ein wichtiger Aspekt. Wir möchten dazu in diesem Statusseminar interaktive Elemente einsetzen und das im Plenum versammelte Wissen nutzen. Uns interessiert, welche neuen Entwicklungen und Herausforderungen Sie in absehbarer Zukunft in den modernen Lebenswissenschaften sehen, die ethische, rechtliche und soziale Aspekte besonders berühren? Welche Themen werden uns in nächster Zeit besonders intensiv beschäftigen? Welche Bereiche in den modernen Lebenswissenschaften haben wir bisher noch zu wenig im Blick, obwohl sie möglicherweise von gesellschaftlich hoher Relevanz sind?

Wir haben Expertinnen und Experten eingeladen, die uns hierzu aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln einleitende Impulsvorträge geben werden. Danach sind Sie an der Reihe. Sie werden in drei, über beide Tage verteilten Workshops zunächst Ihre Themen sammeln, sie zu Themenkomplexen bündeln und schließlich priorisieren. Ich bin gespannt, was Sie in den Diskussionen entwickeln werden und was morgen Nachmittag auf der erarbeiteten Liste stehen wird.

Das Statusseminar ist für uns immer auch der Zeitpunkt, um zusammen mit Ihnen über die Weiterentwicklung des Förderschwerpunktes nachzudenken. Die Forschung im Bereich ELSA muss mit der Dynamik der Lebenswissenschaften Schritt halten. Deshalb möchte ich Sie ausdrücklich ermuntern, uns Wege und Ideen aufzuzeigen, wie wir in Zukunft die Förderung im Bereich ELSA weiter entwickeln und das Profil weiter schärfen können.

Neben unseren offenen Workshops haben wir darüber hinaus Berichterstattende aus ihrer Mitte ausgewählt, die auf dem Statusseminar ihre Eindrücke sammeln und uns übermitteln werden. Sie alle sind aufgefordert, den Berichterstattenden Ihre Erfahrungen und Einschätzungen mitzuteilen und sie mit Ideen zu versorgen. Diese Informationen sind für die zukünftige Ausrichtung des ELSA-Förderschwerpunktes wertvoll. Nutzen Sie auch diese Möglichkeit zur Rückmeldung ausgiebig.

Ich wünsche Ihnen einen lebendigen Austausch in den Workshops und freue mich auf die Vorstellung der vielen interessanten Projekte sowie auf spannende Diskussionen.

Damit übergebe ich das Wort an Herrn Beckmann, der Sie nun durch den Tag führen wird.

Vielen Dank!