Einweihungsfeier JuCast im Forschungszentrum Jülich

06.06.2017

Sehr geehrter Herr Professor Bolt,
sehr geehrter Herr Professor Guillon,
sehr geehrter Herr Professor Roosen,
sehr geehrter Herr Dr. Hagen,
sehr geehrter Herr Dr. Menzen,
sehr geehrte Damen und Herren,

Die Energiewende ist ein Jahrhundertprojekt. Wir haben uns bis 2030 und darüber hinaus einem Modernisierungs- und Innovationsprogramm verschrieben, das uns inhaltlich und finanziell bis an die Grenzen des Machbaren herausfordern wird

Wir stehen vor dem Komplettumbau der Energiesysteme. Die Folgen für unsere wirtschaftliche und soziale Entwicklung zeichnen sich dabei erst in Ansätzen ab: Die Energiewende entscheidet sich nicht allein technologisch. Sie ist vielmehr von gesellschaftlichen, rechtlichen wie geostrategischen Entwicklungen abhängig.

In diesem hochkomplexen Umfeld brauchen wir Technologien, die den Ansprüchen des Klimaschutzes genauso gerecht werden wie denen des Standortes Deutschland. Kurzum: wettbewerbsfähige Lösungen, um den Umbau bezahlbar und zuverlässig zu bewerkstelligen. Die Dynamik bei Technologien und in den Märkten ist dabei riesig – Windenergie und Photovoltaik wurden binnen zwei Dekaden zum „Game Changer“.

Anlagen wie „JuCast“ spielen bei der Entwicklung solcher Lösungen eine Schlüsselrolle. Warum? Dazu drei Denkanstöße:

Erstens: Der Standort Deutschland lebt von der erfolgreichen Umsetzung von Forschungsergebnissen in innovative Produktideen.

Deutschlands wirtschaftliche Stärke ist nicht vom Himmel gefallen. Sie ist das Resultat internationaler Technologieführerschaft und innovativer Produktideen. Nehmen Sie „JuCast“ selbst: Eine Foliengießanlage innovativ und weltweit einzigartig, konzipiert vom FZJ und umgesetzt von einem deutschen Mittelständler mit der entsprechenden Expertise. So funktioniert „Innovation made in Germany“. Von solchen Beispielen brauchen wir mehr.

In einem hochdynamischen internationalen Umfeld dürfen wir nicht zurückstecken. Ganz im Gegenteil: Wir müssen im Innovationswettbewerb noch besser werden. Staat und Wirtschaft investieren heute doppelt so viel in Forschung und Entwicklung wie vor 10 Jahren. 2015 waren es rund 90 Milliarden Euro. Das 3-Prozent-Ziel wurde erstmals erreicht. Deutschland gehört damit zu den fünf weltweit führenden Forschungsnationen. Unser Ziel: Die Forschungsausgaben bis 2025 auf 3,5% des Bruttoinlandsprodukts steigern – das ist ehrgeizig. Hier sind vor allem die Unternehmen gefragt, denn sie leisten über zwei Drittel der Forschungsausgaben.

Doch mit Geld allein ist es nicht getan. Forschungsergebnisse stehen am Anfang der Innovationskette. Früchte tragen sie erst, wenn aus ihnen auch konkrete Anwendungen erwachsen.

Mit „JuCast“ erweitert das Forschungszentrum seine Möglichkeiten für einen Ergebnistransfer: Ihre Forscherinnen und Forscher können einfacher und günstiger als bisher ihre Entwicklungen auf ihre Industrietauglichkeit hin prüfen. Das ist ein erheblicher Mehrwert und eröffnet neue Chancen für eine rasche wirtschaftliche Verwertung von Forschungsergebnissen. Das FZJ kann sich damit in der Energieforschung weiter profilieren. Damit wird Ihre Forschung noch praxisrelevanter.


Zweitens: Grundlagenforschung ist der wesentliche Impulsgeber einer erfolgreichen Energiewende.

Die Energiewende erfordert ein vollkommen neues Verständnis unserer Energiesysteme. Wir müssen Energieerzeugung, -speicherung, -verteilung und -nutzung neu denken. Gleichzeitig ist die Energiewende ein kontinuierlicher Lernprozess. Wir stehen in der Verantwortung, die Energiewende ökonomisch und ökologisch effizient und sozial tragbar umzusetzen.

Dafür müssen wir flexibel und technologieoffen sein. Ein Drittel erneuerbarer Strom ist im Vergleich zu dem, was noch vor uns liegt, einfach. Die Sektorkopplung ist eine Riesenaufgabe, bei der wir neue, teure Pfadabhängigkeiten vermeiden müssen. Wir brauchen eine breite Palette an Lösungsoptionen und die gezielte Forschung für den „Plan B“. Energieforschung ist Vorsorgeforschung.

Die Grundlagenforschung ist dabei ganz besonders gefragt und besonders wertvoll. Sie eröffnet neue Blickwinkel und ist die Basis für vollkommen neue Anwendungen und Geschäftsmodelle.

Ein Beispiel: Anfang der 1990er Jahre haben Programme wie das „1000-Dächer-Programm“ gezeigt, dass die Versorgung einer Industriegesellschaft auf der Grundlage von Wind und Sonnenenergie keine Utopie ist. Vorhaben wie dieses waren Wegbereiter der Energiewende. Ohne entsprechende Grundlagenforschung wären sie nicht möglich gewesen.

Das zeigt auch: Der Transfer von Ergebnissen der Grundlagenforschung in erfolgreiche Produkte und Geschäftsideen ist der entscheidende Erfolgsfaktor für Wohlstand und Wachstum. Forschung, deren Ergebnisse im Regal verstauben, führt nicht weiter. Wir brauchen durchgehende Innovationsketten – von den Grundlagen bis in die Anwendung. Das ist umso wichtiger, wenn wir die Zeitskalen betrachten: Lösungen, die uns ab 2025 zur Verfügung stehen sollen, müssen heute in der Entwicklung starten. Wissenschaft und Wirtschaft brauchen Zeit, um gemeinsam Ideen und Konzepte in praxisreife Lösungen umzusetzen. Deswegen ist auch die vorwettbewerbliche Zusammenarbeit zentral.

Die Kopernikus-Projekte des BMBF sind ein Beispiel wie es funktionieren kann. Sie kennen diese ja bestens. Das FZJ ist in koordinierender Funktion tätig.

Zwischenzeitlich arbeiten mehr als 260 Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Mit den breit angelegten Kopernikus-Netzwerken schlagen wir in Zehn-Jahres-Projekten die Brücke von der Grundlagenforschung bis in die Anwendung. Das sind optimale Voraussetzungen für dringend benötigte technische, ökonomische und soziale Innovationen bei Netzen, Speichern, Industrieprozessen und der Systemintegration.

Aber ganz allgemein: Grundlagenforschung braucht den steten Blick auf den späteren Anwendungsfall und die Bedarfe in Wirtschaft und Gesellschaft, also der Anwender. Das macht auch „JuCast“ so wertvoll für die Forschungsförderung des BMBF: Die Grundlagenforschung kann hier von Anfang an die Eignung für industrienahe Fertigungstechniken erproben. Wir wissen also sehr schnell, ob die im Labormaßstab erreichten Ergebnisse auf industrietraugliche Komponentengrößen skaliert werden können. Forscherinnen und Forscher können so frühzeitig nachjustieren und ihre Arbeit optimal am Bedarf ausrichten.

Drittens: Energieforschung ist zum großen Teil Materialforschung.

Vor knapp einem Jahr haben wir zusammen den Startschuss für „ProtoMem“ und „MaxCom“ gegeben – zwei Vorhaben von insgesamt sechs mit Beteiligung des FZJ, die im Rahmen der BMBF-Initiative „Materialforschung für die Energiewende“ gefördert werden. Das Forschungszentrum ist damit an mehr Verbünden beteiligt, als jede andere Universität oder Forschungseinrichtung. Damit verbunden sind Zuwendungen von fast 7 Mio. EUR. Auch das ist für eine einzelne Einrichtung Rekord.

Mit der Initiative adressiert das BMBF seit 2013 gezielt die Materialentwicklung. Denn die Lösung werkstoffwissenschaftlicher Herausforderungen ist für die Fortentwicklung der Energietechnik essentiell.

Elektrolyseure, Brennstoffzellen, Batterien, Photovoltaik, aber auch Katalysatoren bei Power-to-X-Anwendungen –Effizienzgewinne, Kostenreduktion und die Steigerung der Belastbarkeit werden zunehmend durch die Auswahl geeigneter Bauteile mit den richtigen Eigenschaften erzielt.

Passgenaue Bauteile sind mindestens ebenso wichtig wie eine clevere Konstruktion. Das ist durchaus ein Paradigmenwechsel: Werkstoffe und Funktionsmaterialien werden zum Fundament einer praxistauglichen und wirtschaftlichen Energietechnik; die Materialforschung zum Schlüssel einer nachhaltigen, sicheren und ressourcenschonenden Energieversorgung.

Deshalb ist es ein zentrales Anliegen des BMBF, in deutschen Forschungseinrichtungen Materialforschung auf Spitzenniveau zu ermöglichen. Hierzu investieren wir vor allem in die Leistungsfähigkeit von Infrastrukturen. Allein das BMBF stellt der HGF im Forschungsbereich Energie rd. 275 Mio. Euro im Jahr zur Verfügung. Das sind über ein Drittel der Gesamtausgaben der Bundesregierung für die Energieforschung.

Das zahlt sich aus: Unsere Forschungsinfrastrukturen suchen ihres gleichen. Nehmen Sie nur die „HEMCP“ [Helmholtz Energy Materials Characterization Platform] als zentrale Kooperations- und Methodenplattform mit einer einmaligen Bandbreite an Analyse- und Charakterisierungsmethoden oder das „EMIL“-Labor in Berlin [Energy-Materials-In-Situ-Laboratory] als weltweit einzigartige Anlage zur kombinierten Synthese und Analyse von Grenzflächen.

Bei beiden ist uns der Schulterschluss von BMBF und BMWi gelungen. Hierfür danke ich den Kolleginnen und Kollegen des BMWi ganz besonders.

Wir brauchen mehr denn je die Verzahnung von Grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung. Beide müssen sich überlappen und dürfen nicht länger als eigenständige Teilsegmente im Wissenschaftssystem verstanden werden. Hier ist stärker als bisher ein Miteinander gefragt – gerade auch über Ressortgrenzen hinweg. Auch „JuCast“ ist ein Beispiel, wie Investitionen der Häuser Hand in Hand gehen können.

Meine Damen und Herren,

das BMBF steht zu seiner Verantwortung: Wir wollen mit Forschung und Innovation die Energiewende zum Erfolg führen. Und ich bin guter Dinge: Mit den vielen zukunftsweisenden Ideen der Forscherinnen und Forscher – gerade auch aus Jülich – wird uns das gelingen!

Vielen Dank!