Einweihung des Forschungsbaus „Center for Next Generation Processes and Products (NGP)“ in Aachen

07.06.2017

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr, mit Ihnen heute hier auf diesem wunderbaren Campus der RWTH Aachen, wo ich immer wieder gerne zu Gast bin, den neuen Forschungsbau „Center for Next Generation Processes and Products (NGP)“ einzuweihen.

Dieser Forschungsneubau mit der NGP-Bioraffinerie ist ein gelungenes Beispiel für die Umsetzung der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“. Mit der Strategie unterstützt alleine das BMBF seit 2010 Forschungsprojekte in der Bioökonomie mit insgesamt etwa 876 Millionen Euro.

Als wir die Nationale Forschungsstrategie im Jahr 2010 gestartet haben, war der Begriff Bioökonomie weitgehend unbekannt. Und das nicht nur in Deutschland sondern weltweit. Sie alle wissen, seitdem hat sich viel verändert und viele Länder sind unserem Beispiel gefolgt.

Weltweit weniger fossile und dafür mehr nachwachsende Rohstoffe nachhaltig und effizient nutzen – und dabei der Ernährungssicherheit Vorrang einräumen. Nicht weniger möchten wir mit der Bioökonomie erreichen.
Ziel ist: den Strukturwandel von einer erdöl- zu einer biobasierten Wirtschaftsweise.
Ich bin überzeugt, dass die Bioökonomie einen entscheidenden Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft weltweit und damit für die Stabilität von Gesellschaften leisten kann. Das gilt insbesondere auch für Regionen der Welt, deren Wirtschaft bis dato eher agrarbasiert ist und die über wenige fossile Ressourcen verfügen. Die Bioökonomie zu stärken heißt, Verantwortung für die globalen Herausforderungen zu übernehmen. Sie kann entscheidende Beiträge zur Erreichung der gesteckten Umwelt- und Klimaschutzziele leisten.

Deutschland soll hierbei zu einem international kompetitiven, dynamischen Forschungs- und Innovationsstandort für die Bioökonomie werden. Das kann nur mit starker Forschung und guten Innovationen gelingen.

Es gab/gibt allerdings auch kritische Töne: Die Bioökonomie verschärfe Ressourcen- und Umweltkonflikte vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern und global betrachtet soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten; die Biodiversität sei gefährdet; der Einsatz gen-technisch veränderter Pflanzen wird kritisiert. Diesen Argumenten und Bedenken müssen wir uns stellen.

Fakt ist, dass die Bioökonomie auch in der Lebenswirklichkeit der Menschen ankommt. Erste bioökonomische Produkte und Verfahren machen die Bioökonomie für jeden aufmerksamen Verbraucher greifbar. Dazu gehören, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, die aus Bioplastik hergestellten grünen Dübel der Firma Fischer oder Waschmittel mit biotechnologisch hergestellten Enzymen, die schon bei niedrigen Temperaturen eine reinigende Wirkung haben.

Zu bedenken ist auch: Ein großer Teil der Fortschritte ist für den Endverbraucher oftmals kaum sichtbar, aber dadurch nicht weniger wichtig. Dazu gehören zum Beispiel Fortschritte in Aufreinigungsprozessen, in der Nutzpflanzenzüchtung oder auch Dienstleistungen wie das Finden und Optimieren von Mikroorganismen oder Enzymen für industrielle Prozesse aller Art. Gerade letzteres ist ein Schlüsselbereich für die Entwicklung der Bioökonomie, in dem Deutschland international eine Spitzenposition einnimmt.
Bioraffinerien als zentrale Elemente einer Bioökonomie fungieren als aussichtsreiche Innovationstreiber zur Realisierung einer biobasierten Wirtschaft. Um das vielversprechende Konzept der Bioraffinerie voranzutreiben, ist weitere Forschung notwendig – Forschung, die auch künftig hier in diesem neuen Zentrum durchgeführt werden wird.

Mit dem Neubau an der RWTH Aachen unterstützt das BMBF die Forschung zur Weiterentwicklung von Bioraffinerien in NRW.  Hier soll Forschung aus dem Labor auf den Technikmaßstab, d.h. auf industrielle Bedingungen, übertragen werden. Dies ist ein ganz bedeutender Schritt auf dem Weg zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit.

Die NGP-Bioraffinerie als systemischer Ansatz schließt dabei die gesamte Wertschöpfungskette vom biogenen Rohstoff bis zum neuen funktionalen Produkt ein. Ansätze aus der industriellen Biotechnologie ermöglichen dabei die wesentlichen Schritte der Wertschöpfung: aus biogenen Ausgangsstoffe werden nachgefragte Zwischen- oder Endprodukte.

Meine Damen und Herren,
es freut mich sehr, dass mit dem Forschungsneubau und der NGP-Bioraffinerie die Kompetenz unserer Region im Zukunftssektor Bioökonomie weiter ausgebaut wird.

Das Potenzial der Bioökonomie wurde hier von vielen regionalen Akteuren schon früh erkannt, und man hat sich entsprechend positioniert. Das zeigt auch das starke Kraftfeld regionaler Kooperationspartner, die die NGP-Bioraffinerie tragen – die RWTH Aachen und – über das Bioeconomy Science Center – das Forschungszentrum Jülich und die Universitäten Düsseldorf und Bonn.

Genau solche Kooperationen braucht die Bioökonomie. Strategische Vernetzungen stärken sowohl die teilnehmenden Partner als auch die Forschung und Wirtschaft in der Region, und die Bioökonomie selbst.


Meine sehr verehrten Damen und Herren,
für die Förderung solch bedeutender Forschungsbauten an Hochschulen wie diesem Interdisziplinären Zentrum hier in Aachen stellt das Bundesforschungsministerium pro Jahr rund 300 Mio. € bereit.

Damit werden seitens des Bundes die Forschungsbauten und Großgeräte finanziert, die andere Hälfte trägt das jeweilige Land. Seit der Neugestaltung dieser gemeinsam von Bund und Ländern getragenen Förderung im Jahre 2007 haben wir so bislang gut 3 Mrd. € bereitgestellt. Das ist Geld, das direkt in die Innovationskraft unseres Landes geflossen ist.

Hiervon wurden rund 25 Mio. Euro für das neue Zentrum NGP bereitgestellt. Es freut mich, dass sich die RWTH in dem hochkompetitiven Auswahlverfahren durchsetzen konnte und zum wiederholten Male die Stärke des hiesigen Wissenschafts- und Forschungsstandortes bewiesen hat.

Was das „Center for Next Generation Processes and Products (NGP²)“ besonders auszeichnet ist die Zusammenführung von fünf RWTH-Lehrstühlen, die bisher über das gesamt Stadtgebiet verteilt waren. Und: zugleich werden die Lehrstühle in direkt Nähe zu lokalen Kooperationspartnern aus der Chemie, der Biologie und der Biotechnologie gebracht. Das verspricht nicht nur beste Bedingungen für exzellente Forschung sondern erleichtert den Austausch, die transdisziplinäre Zusammenarbeit und befördert Synergien.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
durch die Zusammenführung der an diesem neuen Forschungszentrum beteiligten Forschergruppen wird hier in Aachen die hochgradig vernetzte Spitzenforschung gedeihen. Davon bin ich überzeugt. Nutzen Sie insofern die idealen Bedingungen, die Sie hier in diesem Zentrum vorfinden werden und gehen Sie erfolgreich die aktuellen Herausforderungen an.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen uns allen weiterhin gutes Gelingen bei der Fertigstellung dieses neuen Forschungsbaus.

Vielen Dank!