Austausch-Stipendium: So geht es dem "Jugend-Botschafter" in den USA

05.05.2023

Eric Haas ist zur Zeit als Jugendbotschafter des Kreises Düren in den USA. Der Schüler des Franziskus-Gymnasium Vossenack hatte sich für das Parlamentarische #Patenschaftsprogramm (PPP) beworben, ich habe als Bundestagsabgeordneter des Kreises Düren die Patenschaft übernommen. Eric ist bei einer Gastfamilie in Wisconsin und hält mich regelmäßig auf dem Laufenden. Schülerinnen und Schüler, die Interesse an diesem Stipendium für ein Austauschjahr in den USA haben, finden alle weiteren Infos hier.

Lesen Sie hier den Bericht von Eric Haas über die Vorbereitung und seine ersten Monate in den USA:

Normalerweise würde ich jetzt die 11. Klasse am Franziskus-Gymnasium in Vossenack besuchen und mich auf Klausuren vorbereiten. Stattdessen befinde ich mich als Stipendiat des Parlamentarischen Partnerschaftsprogramms (PPP) in den Vereinigten Staaten von Amerika und erlebe das bisher größte Abenteuer meines Lebens. Mein Name ist Eric Haas (16) und hier kommen meine Erfahrungen.

Das PPP ist ein politisches Vollstipendium, welches jährlich deutsche Schüler in die Staaten schickt. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags stellen Bewerber*innen aus ihrem jeweiligen Wahlkreis vor und in Zusammenarbeit mit dem US-Kongress wird das Programm ermöglicht. Organisationen wie Partnership International (PI) koordinieren die Platzierung, die Gastfamilie und den Schulbesuch. Bei PI kann man sich auch privat einbuchen, aber ein PPP-Stipendium bietet neben der Übernahme der Kosten auch das Privileg Zugang zu politischen Organen in Amerika zu erhalten, wie der Kongressbesuch in Washington.

Bereits ein Jahr zuvor bewarb ich mich beim PPP und nahm an einem aufwändigen Auswahlverfahren teil. Bei verschiedenen online Meetings wurden Sprachfähigkeiten geprüft, allgemeine und politische Bildung, aber auch die soziale Kompatibilität. Einige Termine waren gemeinsam mit vielen anderen Bewerbern, andere in kleinen Gruppen. Ich war dabei immer sehr aufgeregt, obwohl ich mich natürlich auch davor vorbereitete. Alles gipfelte in einem finalen Einzelgespräch mit Herrn Thomas Rachel. Ein gutes Gespräch, denn Herr Rachel war sehr freundlich und nahbar, aber hat es gereicht für das eine Stipendium seines Wahlkreises? Hätte ich noch dies und jenes sagen sollen? Oder besser nicht? Ungewissheit blieb.
Ich saß im Unterricht in meiner Klasse als plötzlich der Schuldirektor Herr Dr. Cordes zusammen mit Herrn Rachel eintrat und mir vor allen Mitschülern die Zusage erteilte. Mein Grinsen konnte die Coronamaske nicht verdecken. Eine wirklich tolle Überraschung und netterweise schenkte er mir zusätzlich ein Reisetagebuch mit persönlicher Widmung.

Die Zeit vor Amerika war von Vorfreude geprägt und verging rasend. Aber auch Zweifel kamen auf. Als Ausländer allein in einem fremden Land? Das war ja kein Urlaub von zwei Wochen, sondern ein ganzes Schuljahr. Es gab auch noch unglaublich viel zu erledigen: Impfungen, Nachweise, Versicherungen und unendliche US-Formulare. Auch ein Bewerbungsvideo für die potenziellen Gasteltern sollte eingereicht werden. Sehr gut war ein Vorbereitungsseminar, wobei sich alle Schüler unserer Organisation für eine Woche trafen.  Es wurde von ehemaligen Austauschschülern geleitet und ich bekam erste konkrete Vorstellungen was mich erwartet und nebenher konnte man sich sehr gut mit den anderen Schülern vernetzen. Ich musste nur noch ein (J1-)Visum in der US-Botschaft in Frankfurt beantragen und schon war ich abflugbereit.

Irgendwann kamen Informationen zu meiner Platzierung in Wisconsin und Telefonate mit der Gastfamilie auf mich zu. Ich bekam von der amerikanischen Organisation alle wichtigen Informationen zu der Gastfamilie. Drei Brüder, zwei sechsjährige und ein 14-jähriger. Ich würde also mit drei Brüdern und meinen beiden Gasteltern ein Haus teilen. Hier wurde mir erst klar, wie nah ich davon entfernt war meine Familie zu verlassen. Der letzte Monat wurde genossen und so viel wie möglich mit Verwandten und Freunden verbracht. Ich flog allein von Frankfurt nach Chicago und noch weiter nach Milwaukee, wo dann schon meine neue Familie am Flughafen auf mich wartete.

Kulturschock!
Die Anfangsphase war natürlich am aufregendsten und ich erlebte mit staunenden Augen den „American way“.Auf diese schlagartige Lebensumstellung konnten wir nicht vorbereitet werden und ich kann sie mit nichts vergleichen, während ich staunend durch Supermärkte lief und die riesige Schule besuchte, realisierte ich von Zeit zu Zeit das Privileg, welches mir zuteilwurde, wertzuschätzen. Meine Gastfamilie gab sich größte Mühe, mir ihr Land zu zeigen und die Kennenlernphase so angenehm wie möglich zu gestallten. Mir war schon in Deutschland klar, dass ich mein Jahr ausreizen wollte und sofort dem Football Team beitreten musste. Ich wurde mit Hilfe meiner Familie und des sehr netten Coaches also Spieler und kam schnell in Kontakt mit Menschen, die meine Freunde werden würden. Ich sammelte viele neue Erfahrungen und lebte meinen persönlichen Traum. Leider wurde es nach den ersten Monaten zum Alltag und das Funkeln legte sich etwas. Das ist aber auch normal.

Es gibt ja noch viel mehr zu erleben als nur den Alltag eines amerikanischen Schülers. Schon bald begann ich zu Reisen und sah mehr von Amerika. Meine amerikanische Organisation plante für alle Schüler im Staat einige Events. So kam ich zu meinem ersten NBA-game und zu Baseballspielen. Das brachte mir wieder vor Augen, weshalb Amerika das Land der Superlative genannt wird. Ein Spiel, wie es genauso in Filmen und Serien dargestellt wird. Die Stimmung und die Show der Amerikaner bei Sportveranstaltungen sind kaum zu überbieten.

Außerdem wurde zum Ende des Halbjahres eine Reise zur Hauptstadt Washington D.C. mit den anderen Stipendiaten organisiert. Der Flug dorthin trennte mich von meiner Gastfamilie und ehrlich gesagt, vermisste ich sie schon ein bisschen. Dort besuchte ich in der folgenden Woche duzende Museen, das Washington Monument, das Weiße Haus, das Lincoln Memorial und vieles mehr. Besonders gefallen hat mir aber der Tag im US-Kongress, hier durften wir im Rahmen des Stipendiums sogar in Einzelgesprächen mit „US-Congress“ Abgeordneten politische Fragen ausdiskutieren und Standpunkte nachvollziehbar vorgestellt bekommen. Eine unvergessliche Ehre, welche mir an diesem Tag zuteilwurde.

Trotz der Faszination gab es natürlich auch melancholische Phasen. So endete im November meine „Football-Karriere“ zur Winterpause und Weihnachten kündigte sich an. Das erste Mal ohne meine Familie. Leider kam ein Weihnachtspaket aus der Heimat nur aufgerissen und geplündert an. Doch meine Gastfamilie bemühte sich sehr mit mir Christmas zu feiern. Die Gottesdienste in Amerika sind nicht so sakral wie in Deutschland. Es wird viel gesungen und die Kirchen erinnern eher an unsere Gemeindehäuser. In dieser Zeit konnte ich im Rahmen der Schule auch Moscheen und Synagogen besuchen, andere Religionen kennenlernen und Vorurteile ablegen.

Mein jüngster Ausflug war ein Geschenk meiner deutschen Familie, welche mich in Amerika immer unterstützt und mir eine Reise zum Traumziel Hawaii möglich machte. Eine sonnige Abwechslung abseits der frostigen -25°C, welche in Milwaukee herrschten. Hier traf ich einigen Austauschschüler, die ich bereits aus Washington und vom Vorbereitungsseminar kannte. Ein neues Gefühl, überall auf der Welt Leute zu kennen. Ich genoss die Woche an warmen Sandstränden und eine lange Wanderung zu der Spitze des höchsten Vulkans der Insel „Oahu“. Traditionell rüstete ich mich mit Blumenketten aus und konnte auch kein Hawaii-Hemd ausschlagen. Ein unerwartet emotionaler Moment begegnete mir nach Ankunft meines Fliegers. Meine kleinen Gastbrüder kamen mir schon entgegengerannt und begrüßten mich mit einer Umarmung. Ich bin schon ein richtiges Teil der Familie.

Mein Jahr neigt sich dem Ende zu. In kommender Zeit werde ich mich außerschulisch dem Tennis-Team anschließen. Meine US-Familie und die Organisation planen noch weitere Ausflüge. Die Zeit vergeht rasend schnell und mein Abreisedatum ist nun fast schon greifbar. Ich kann jetzt schon stolz behaupten, dass dieses Jahr wohl das spannendste ist, dass ich bisher erleben durfte. Ich hätte niemals geglaubt, wie sehr mir dieses Land ans Herz wachsen würde. Ich versuche jeden freien Tag mit Freunden zu verbringen und immer neue Sachen zu probieren, um möglichst nichts bereuen zu müssen oder vergessen zu haben.

Es fühlt sich komisch an täglich Leute zu treffen, mit welchen ich wohlmöglich nie wieder Kontakt haben werde. Dieser Abschied wird vollkommen anders als der von Deutschland. Es ist diesmal kein Wiedersehen vorauszusagen. Dennoch habe ich unvergessliche Momente erlebt, welche mir die Entfernung nicht nehmen kann. Ich denke immer öfter an meine Heimat und es tut gut regelmäßig zu hören, dass ich nicht vergessen werde und auch meinen Freunden etwas an mir liegt.

Wenn ich ein Fazit ziehen soll, dann würde es wie folgt aussehen:
Ich habe Land, Leute und Schule lieben gelernt, weil es extrem entspannt ist. Aber mir sind selbst auch die Widersprüche aufgefallen. So gibt es wie selbstverständlich scharfe Waffen bei uns im Haus. Alles muss mit dem Auto erledigt werden, da es keine Busse oder Züge im Nahverkehr gibt. Die Anzahl und Wucht von Produkten erscheinen dekadent. Alles ist groß und viel und TEUER.
Schulisch braucht man sich keine Sorgen zu machen. Man wird sehr freundlich aufgenommen und ist schnell Bestandteil der Gemeinschaft. Sprachlich macht man sehr schnell Fortschritte. Der Unterricht stellt keine Hürde dar, da wir in Deutschland doch eine hohe Bildung haben und ich einiges an Vorsprung mitbrachte. Man lebt sich bei der neuen Familie ein und findet heraus, welche der neugierigen Bekanntschaften sich als Freunde herausstellen. Es ist wichtig soziale Kontakte in seinem Umfeld zu pflegen, da genau diese bei all den Umstellungen Hilfe bieten und beispielsweise mit einer Fahrt aushelfen. Ein leichter Weg in Kontakt mit Amerikanern zu treten ist es, sich einem Sportteam anzuschließen und mit begeisterten Fans wöchentlich Matches auszutragen. Ich persönlich habe in der Zeit viel über mich selbst herausgefunden. Ich bin gereift und gewachsen und habe gelernt, dass ich viele Probleme selbst lösen kann. Ich bin damit kein Einzelfall, viele Freunde berichten über ähnliche Selbstreflexion.

Sollte sich in der Zukunft jemand für ein Auslandjahr motivieren, so möchte ich gerne einen wichtigen Ratschlag loswerden:
Dir stehen alle Türen offen und Dein einziges Limit wird Dir durch den Rückflug gesetzt. Sei unbedingt offen gegenüber Fremden und probiere dich gerne in Teams aus, um zu garantieren, dass dein Jahr auch wirklich DEIN Jahr wird. Man lebt nur einmal und irgendwann wirst du hierauf stolz zurück gucken können!

Ich bin meiner Familie so dankbar die finanziell und organisatorisch immer support leistet. Meine Freunde zu Hause, die mich immer über soziale Medien teilhaben lassen was in der Heimat abgeht. Meine Schule, das Franziskus-Gymnasium in Vossenack, die mich unterstützt hat. Aber nicht zuletzt wäre es ohne Thomas Rachel nie in der Form zustande gekommen. Euch allen... DANKE!