Meine Rede anlässlich der Auftaktveranstaltung des Flüchtlingsprojekts „Unsere Zukunft. Mit Dir!“ (Avicenna-Studienwerk) am 25.04.2016 im Museum für Islamische Kunst, Berlin
Sehr geehrter Herr Professor Dr. Uçar,
sehr geehrter Herr Professor Dr. Weber,
sehr verehrte Damen und Herren,
liebe Stipendiatinnen und Stipendiaten,
heute feiern wir gemeinsam den Auftakt des Flüchtlingsprojekts „Unsere Zukunft. Mir Dir!“. Ich danke Ihnen herzlich für die Einladung. Gerne möchte ich Ihnen auch die Grüße und Gelingenswünsche von Frau Ministerin Johanna Wanka übermitteln.
Der französische Philosoph Voltaire hat einmal gesagt: „Human ist der Mensch, für den der Anblick fremden Unglücks unerträglich ist und der sich sozusagen gezwungen sieht, dem Unglücklichen zu helfen.“ Dieser Gedanke spiegelt sich auch in dem vom Avicenna-Studienwerk initiierten Projekt wider. Es folgt dem Prinzip der Humanität.
Mit Ihrem Projekt greifen Sie ein wichtiges und außerordentlich aktuelles Thema auf, das uns gegenwärtig in allen Lebensbereichen beschäftigt. Seit vielen Monaten kommen tausende Menschen aus Syrien und anderen Ländern zu uns. Sie suchen Schutz vor Krieg und Verfolgung. Viele Geflüchtete mussten in ihren Heimländern unvorstellbares Leid ertragen. Sie versuchen nun, ein friedliches Leben in Deutschland aufzubauen. Dabei sind sie auf qualifizierte Helferinnen und Helfer angewiesen, die ihnen mit kultureller Sensibilität begegnen und informiert zur Seite stehen.
Unsere Zivilgesellschaft hat uns in den letzten Wochen und Monaten eindrucksvoll gezeigt, zu welch enormer Hilfsbereitschaft die Menschen in Deutschland imstande sind. Ob eine Patenschaft für minderjährige Flüchtlinge, Deutschunterricht oder die Begleitung bei Behördengängen – die Möglichkeiten für ehrenamtliche Helfer sind vielfältig. Dabei darf nicht unterschätzt werden, dass hierbei auch spezielle Fähigkeiten wie Sprachkenntnisse oder Kenntnisse über kulturelle und religiöse Normen von großer Bedeutung sind. Trotz zahlreicher Institutionen und Organisationen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, gibt es nicht genügend qualifizierte ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.
1.
Das Avicenna-Studienwerk will mit dem Flüchtlingsprojekt „Unsere Zukunft. Mit Dir!“ das Problem der mangelnden Qualifikation angehen. Durch die Schulungen zu Flüchtlingslotsinnen und Flüchtlingslotsen werden die Stipendiatinnen und Stipendiaten als qualifizierte Multiplikatoren befähigt, ihr Umfeld zum Mitmachen zu animieren. Gleichzeitig werden sie eigene Hilfsprojekte konzipieren und umsetzen. In die Projekte können auch weitere lokale Akteure vor Ort einbezogen werden. So wird das Potenzial einer ganzen Region aktiviert und erfolgreich ausgeschöpft, um den Geflüchteten den Start in ein neues Leben zu erleichtern.
Das Flüchtlingsprojekt leistet damit einen wichtigen Beitrag, um eine große Herausforderung unserer heutigen Zeit zu bewältigen. Denn sicher ist – eine große gesellschaftliche Aufgabe lässt sich nur meistern, wenn viele Akteure mit anpacken.
Die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Avicenna-Studienwerks haben aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit und ihrer Sprach-kenntnisse einen besonderen Zugang zu den Geflüchteten aus den muslimisch geprägten Ländern. Einige von ihnen haben eigene Fluchterfahrungen und verstehen es, was es bedeutet, die eigene Heimat aufgrund von Krieg und Verfolgung verlassen zu müssen. Gerade Ihre persönlichen Erfahrungen werden sehr wertvoll und hilfreich sein.
Aber nicht nur die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Avicenna-Studienwerks beteiligen sich an dem Projekt. Auch interessierte Stipendiatinnen und Stipendiaten der anderen zwölf Begabtenförderungswerke machen bei dem Projekt mit. Die große Motivation, die die Teilnehmer ausstrahlen, wird von ihnen in die Öffentlichkeit getragen. Gerade jetzt, wo viele Menschen verunsichert zu sein scheinen, ist das wichtiger denn je.
Das Zusammentreffen der Stipendiatinnen und Stipendiaten aller dreizehn Begabtenförderungswerke über religiöse Zugehörigkeiten hinaus macht das Flüchtlingsprojekt besonders wertvoll. Denn es ermöglicht eine Gemeinschaft zwischen ihnen. Die Wochenendschulungen und die gemeinsam organisierten Hilfsprojekte im Anschluss geben den Teilnehmerinnen und Teilnehmer Raum, sich untereinander kennenzulernen und auszutauschen. Sie können dadurch gemeinsame Positionen finden und sich für zukünftige Vorhaben, die über das Flüchtlingsprojekt hinausgehen können, vernetzen. Dies stellt einen besonderen Mehrwert für die Stipendiatinnen und Stipendiaten, aber auch für unsere Gesellschaft dar.
Viele Studierende, darunter eine große Anzahl von Stipendiatinnen und Stipendiaten aller Begabtenförderungswerke, engagieren sich bereits freiwillig in ihrer Freizeit. Sie arbeiten bei gemeinnützigen Organisationen oder leisten im privaten Rahmen Hilfe. Dafür steht beispielhaft die Refugee Law Clinic Cologne e.V., mitgegründet von Maximilian Oehl, der als Stipendiat für seinen Einsatz mit dem Engagementpreis der Studienstiftung des deutschen Volkes ausgezeichnet wurde. Ein weiteres hervorragendes Beispiel ist die „Hallesche Interkulturelle Initiative“, ein Dolmetscherdienst für Flüchtlinge per Telefon. Ihr Gründer Lucas Uhlig erhielt für sein Engagement den Cusanus-Preis der bischöflichen Studienförderung.
Die Stipendiatinnen und Stipendiaten der Begabtenförderungswerke bereichern mit ihrem kreativen Einsatz nicht nur den Alltag der Flüchtlinge, sondern auch unsere ganze Gesellschaft. Sie zeigen uns, dass jede einzelne und jeder einzelner von uns Großes bewegen kann. Ich möchte mich dafür bei all den Stipendiatinnen und Stipendiaten herzlich bedanken, die sich so aufopferungsvoll für die Bedürfnisse der Flüchtlinge engagieren. Und ich möchte sie ermutigen, auch in Zukunft mit ihren beeindruckenden Initiativen ein Zeichen zu setzen.
Sie alle sind hervorragende Beispiele dafür, dass es bei der Begabtenförderung nicht nur um die Belohnung für gute Noten geht. Oder um eine persönliche Karriereförderung. Wir möchten kluge und verantwortungsvolle junge Leute fördern, die sich auch für die Hilfsbedürftigen in der Gesellschaft engagieren. Unser Land braucht qualifizierten Nachwuchs mit Persönlichkeit und Humanität!
3.
Für eine gelungene Integration kommt Bildung eine zentrale Schlüsselrolle zu. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge, die derzeit nach Deutschland kommen, ist jünger als 25 Jahre - also in einem Alter, in dem sie eine Ausbildung benötigen. Damit die Flüchtlinge nach ihrer Ankunft ihre Fähigkeiten entfalten können und ihren Platz in der Gesellschaft finden, brauchen sie eine entsprechende Förderung. Die Integration durch Bildung muss daher in den nächsten Jahren ein Schwerpunkt von Politik werden. Dies ist vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und des prognostizierten Fachkräftemangels auch eine Chance für Deutschland. Wenn Integration in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft gelingt, profitieren wir alle davon.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat in den letzten Monaten bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Integration der Flüchtlinge zu erleichtern. In einem ersten Maßnahmenpaket investieren wir in den Erwerb der deutschen Sprache, das Erkennen von Kompetenzen und Potenzialen von Flüchtlingen und in die Integration in Ausbildung und Beruf. Diese Komponenten sind entscheidende Erfolgsfaktoren für das Gelingen der Integration.
Außerdem wollen wir denjenigen, die studieren möchten und hierfür ausreichende Qualifikationen mitbringen, ein Studium ermöglichen. Aus diesem Grund unterstützen wir in einem zweiten Maßnahmenpaket die Hochschulen durch die Ermittlung der Studierfähigkeit und Qualifikationen, die sprachliche und fachliche Unterstützung bei Übergangsphasen ins Studium und der Integration an den Hochschulen – beispielsweise durch Studierendeninitiativen. Diese Bausteine bilden die Basis für einen erfolgreichen Zugang zu einem Studium.
Zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks hat das BMBF zusätzlich ein gemeinsames Qualifizierungsvorhaben für junge Flüchtlinge gestartet, damit ihnen der Schritt in eine berufliche Ausbildung im Handwerk erleichtert wird. Mit der gemeinsamen Initiative „Wege in Ausbildung für Flüchtlinge“ sollen junge Flüchtlinge ganz praktisch und im direkten Kontakt mit Betrieben auf eine Ausbildung im Handwerk vorbereitet werden. Damit dies gelingen kann, ist ein umfassendes Qualifizierungs- und Betreuungssystem erforderlich, das die jungen Flüchtlinge durch eine intensive Sprachvermittlung, fachliche Berufs-orientierung und Berufsvorbereitung an das duale Ausbildungssystem heranführt. Hierfür bündeln das BMBF, die Bundesagentur für Arbeit und der Zentralverband des Deutschen Handwerks ihre Kompetenzen und arbeiten eng aufeinander abgestimmt zusammen.
Nun blicken wir aber mit Freude auf das Flüchtlingsprojekt „Unsere Zukunft. Mit Dir!“ und auf die anschließenden Aktionen und Projekte, die in den Regionalgruppen von den ausgebildeten Flüchtlingslotsinnen und Flüchtlingslotsen angestoßen werden. Das Projekt hat uns von Anfang an überzeugt. Daher unterstützen wir es mit mehr als 600.000 Euro.
Ich danke dem Avicenna-Studienwerk für die Initiierung und Betreuung des Projekts und warte gespannt auf die schönen und wichtigen Ergebnisse.
Ihnen, liebe Stipendiatinnen und Stipendiaten, wünsche ich, dass Sie aus dem Projekt so viel wie möglich mitnehmen. Ich bin mir sicher, dass Sie unzählige interessante und wertvolle neue Begegnungen und Erfahrungen machen werden. Bleiben Sie so aufgeschlossen und motiviert! Und stecken Sie andere mit Ihrem Engagement an!
Allen Beteiligten wünsche ich für das Projekt gutes Gelingen!
Vielen Dank.
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