Änderungen im 21. BAföG-Bericht

18.02.2018

Protokoll der Fragestunde

Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Frau Staatssekretärin. Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereiches. Wir sind auch gleich am Ende des uns selbst gegebenen Zeitbudgets. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel zur Verfügung. Ich rufe als letzte Frage die Frage 38 des Abgeordneten Kai Gehring auf: Warum und auf wessen Betreiben hat die Bundesregierung den 21. BAföG-Bericht gegenüber dem ersten Entwurf verändert, in dessen Ursprungsfassung stand, „dass eine Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge sowie der Höchstbeträge bei den Sozialpauschalen notwendig wird“, während in der vom Kabinett verabschiedeten Fassung steht, „dass eine mögliche Neufestlegung der Bedarfssätze und Freibeträge sowie der Höchstbeträge bei den Sozialpauschalen eine Aufgabe der künftigen Bundesregierung ist“ (siehe „Spiegel Online“ vom 13. Dezember 2017, „Bundesregierung schiebt Bafög-Erhöhung auf“)?

Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Präsidentin! Herr Kollege Gehring, Sie haben nach dem BAföG-Bericht gefragt. Die geschäftsführende Bundesregierung ist schlussendlich zu der Position gekommen, einer inhaltlichen Festlegung der künftigen Bundesregierung nicht vorzugreifen.

Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Die Frage zielte vor allem darauf ab, warum Ihr BAföG-Bericht zwischen Entwurf und Kabinettsbeschluss so gravierend verwässert wurde. Ich würde Sie als Vertreter der Bundesregierung jetzt aber vor allem fragen wollen: Sie haben die 25. BAföG-Novelle ja mit dem Versprechen verknüpft, es kämen 110 000 zusätzliche BAföG-Geförderte hinzu. Nun haben Sie mir in der letzten Sitzungswoche auf meine Frage ziemlich euphemistisch geantwortet, dass aufgrund Ihrer Novelle erkennbar sei, „dass der Trend sinkender Gefördertenzahlen erheblich abgeschwächt werden konnte“. Das heißt übersetzt: Statt die Gefördertenzahlen um 110 000 zu erhöhen, sind die Zahlen weiter gesunken. Wird deshalb die Bundesregierung bei künftigen Prognosen vorsichtiger sein, oder werden Sie das BAföG noch 2018 so gravierend reformieren, dass nicht mehr massenhaft junge Menschen aus der BAföG-Förderung herausfallen? Die Eltern werden ja nicht per se reicher, wenn sie mehr verdienen – Stichwort „kalte Progression“.

Vizepräsidentin Petra Pau: Bitte, Herr Staatssekretär.

Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege, Ihrer Beschreibung kann die Bundesregierung in keiner Weise zustimmen. Faktum ist, dass die letzte BAföG-Novelle erst zum Wintersemester 2016/17 in Kraft getreten ist, wenig vorher für die Schüler, sodass ihre volle Wirkung bisher noch gar nicht anhand der Zahlen zu erkennen war. Dies werden wir voraussichtlich jetzt, im Jahr 2018, wenn die Zahlen für 2017 vorliegen, schlussendlich bewerten können. Es hat im Übrigen demografsche Veränderungen gegeben, gerade auch im Schülerbereich. Das spiegelt sich in den Zahlen wider. Mit der BAföG-Novelle der Koalition, die in der ausgelaufenen Legislaturperiode beschlossen worden ist, ist erreicht worden, dass die durchschnittlichen Förderbeträge für die Schüler beispielsweise allein um 8,5 Prozent gestiegen sind und für die Studierenden um durchschnittlich 3,6 Prozent.

Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich fnde es hochinteressant, Herr Staatssekretär, dass Sie nicht einfach sagen: „Die Prognose war gänzlich falsch“, sondern dass Sie auch noch in Aussicht stellen, dass die versprochene Zahl von 110 000 zusätzlich Geförderten vielleicht irgendwann erreicht wird. Wenn das jetzt schon nicht der Fall ist, kann das aus den von Ihnen genannten Gründen schlichtweg auch gar nicht mehr gehen. Deshalb eine Nachfrage zum weiteren Reformbedarf: Es ist ja auch in der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks sehr deutlich geworden, dass gerade Studierende aus Nichtakademikerfamilien aufgrund des möglichen Verschuldungsrisikos gar keinen BAföG-Antrag mehr stellen, obwohl sie anspruchsberechtigt sind. Wir haben auch immer mehr Studierende, die in Orientierungsstudiengängen sind, Kompassstudien, Teilzeitstudiengängen, die nicht entsprechend förderberechtigt sind. Dasselbe Problem stellt sich, wenn Angehörige gepfegt werden. All das wird im BAföG nicht abgebildet. Das zeigt doch, dass das BAföG überhaupt nicht mehr zur Lebensrealität der Studierenden passt. Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, damit das BAföG diese vielfältigen Lebensrealitäten abbildet?

Vizepräsidentin Petra PauBitte.

Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und ForschungAus Sicht der Bundesregierung ist das BAföG eine ganz wesentliche Grundlage für Chancengerechtigkeit im Bildungswesen. Wenn Sie sich die Zahlen insgesamt anschauen, merken Sie, dass wir in den letzten Jahren weiter steigende Studierendenzahlen hatten. Kaum ein anderes Land hat ein ähnliches bildungspolitisches und sozialpolitisches Unterstützungssystem, wie wir es mit dem BAföG anbieten. In der letzten Novelle sind eine Vielzahl von Verbesserungen bezüglich der Fördersätze und der Freibeträge erreicht worden. Wir glauben auch, dass die Anzahl insgesamt weiter steigen wird. Aber der Sinn der Sache ist, dass der BAföG-Bericht, ergänzt durch die Stellungnahme des BAföG-Beirats, die Anfang des Jahres kommen wird, genügend Auskunft geben wird, wenn wir schlussendlich die Zahlen des Jahres 2017 vorliegen haben, dass eine neue Bundesregierung, eine neue Regierungskoalition in der Debatte mit dem Parlament zu Schlussfolgerungen kommen kann, ob weiterer Reform- und Änderungsbedarf erwachsen ist.

Vizepräsidentin Petra PauDanke, Herr StaatssekretärWir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Die übrigen Fragen werden entsprechend unserer ständigen Übung schriftlich beantwortet.