90-jähriges Bestehen des UNITI Bundesverbands mittelständischer Mineralölunternehmen

29.05.2017

Sehr geehrter Herr Weber,
sehr geehrter Herr von Stetten,
sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch und alles Gute zum 90-jährigen Bestehen Ihres Verbandes!

Sie blicken auf eine bewegte Geschichte zurück. Immer wieder haben Sie neue Geschäfts- und Aufgabenfelder erschlossen. Darin spiegeln sich die Veränderungen des energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Umfelds. Nehmen Sie allein die dynamische Entwicklung beim Einsatz von Kohle, Erdöl und Erdgas.

Wie die Energiewelt in 90 Jahren aussehen wird – das wissen wir nicht. Zukunft ist ungewiss. Wie schnell sich Dinge ändern können, erleben wir heutzutage in vielen Bereichen unseres Lebens.

Bereits vor mehr als 2500 Jahren soll der griechische Politiker Perikles gesagt haben:

„Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen, sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein.“

Um auf die Zukunft vorbereitet zu sein, brauchen wir Forschung und Innovation. Dies gilt gerade auch für den Energiebereich, in dem Sie tätig sind. Die Dynamik bei Technologien und Märkten ist riesig. Windenergie und Photovoltaik wurden binnen zwei Dekaden zum „Game Changer“ im Energiemarkt. So hat die erste Ausschreibung für Windparks vor deutschen Küsten gezeigt: Windparks können ohne öffentliche Förderung und nur aus dem Marktpreis für Strom finanziert werden. Damit ist die Offshore-Windenergie komplett wettbewerbsfähig.

Mit der Energiewende stehen wir vor dem völligen Umbau unseres Energiesystems, wie wir es heute kennen. Die möglichen Folgen für unsere wirtschaftliche und soziale Entwicklung zeichnen sich erst in Ansätzen ab.

Wir haben uns bis 2030 und darüber hinaus ein außerordentliches Modernisierungsprogramm vorgenommen. Wenn wir in Deutschland Ernst machen wollen mit dem, was sich die Weltgemeinschaft bis 2030 als Ziel gesetzt hat, dann ist das ein Innovationsprogramm, das uns inhaltlich und finanziell bis an die Grenzen des Machbaren herausfordern wird.

 

Dazu fünf Denkanstöße meinerseits:

Erstens: Die Innovationskraft des Standortes Deutschland ist Grundlage unseres Wohlstands. Wir brauchen ein langfristig angelegtes, strategisches Engagement von Staat und Unternehmen bei Forschung und Entwicklung.

Deutschlands wirtschaftliche Stärke ist nicht vom Himmel gefallen. Sie ist das Resultat internationaler Technologieführerschaft und innovativer Produktideen. Diese wären ohne eine engagierte, vorausschauende Forschungspolitik nicht möglich. Forschungsförderung ist Standortpolitik.

Mit der Hightech-Strategie setzt die Bundesregierung konsequent auf Forschung und Innovation. Das sichert Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze. Für die OECD ist sie ein Highlight im deutschen Forschungs- und Innovationssystem, anderen Ländern dient sie als Vorbild.

Staat und Wirtschaft investieren heute doppelt so viel in Forschung und Entwicklung wie vor 10 Jahren. 2015 waren es rund 90 Milliarden Euro. Das 3-Prozent-Ziel, also 3% des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren, wurde erstmals erreicht. Deutschland gehört damit zu den fünf weltweit führenden Forschungsnationen.

Aber: Der internationale Innovationswettbewerb bleibt hochdynamisch. Wir dürfen nicht zurückstecken. Ganz im Gegenteil: Wir wollen noch besser werden.

Unser Ziel: Die Forschungsausgaben bis 2025 auf 3,5% steigern – das ist ehrgeizig, aber realistisch. Hier ist die Politik gefragt und hier sind die Unternehmen gefragt, die über zwei Drittel der Forschungsausgaben leisten. Dabei denke ich nicht nur an die forschungsstarken Großunternehmen, sondern insbesondere an den Mittelstand.

Unser Mittelstand ist vielfach international technologischer Vorreiter. Mit der BMBF-Förderinitiative „KMU-innovativ“ wollen wir, dass das so bleibt. Wir unterstützen auf breiter Front Spitzenforschung in KMUs und legen so den Grundstein für Innovationen. Ein praktisches Beispiel: Das Projekt „Nano-Filt“ entwickelt leichtere, kleinere aber gleichzeitig effizientere Filter für die Erdgas- und Erdöl- sowie Abwasserreinigung. „Nanotechnologie“ wird hier zu einer greifbaren Anwendung. Das ist ein Beitrag für mehr Nachhaltigkeit gesamter Industriezweige.

Zweitens: Das BMBF war und ist ein verlässlicher Partner, Vordenker und Wegbereiter im Energiebereich. Unsere Grundlagenforschung ist für das Gelingen der Energiewende entscheidend.

Das BMBF fördert hoch innovative Forschungsprojekte über die Grundlagenforschung bis hin zur Anwendung. Zugleich finanzieren wir leistungsfähige Forschungsinfrastrukturen, die weltweit ihresgleichen suchen. Allein im vergangenen Jahr haben wir 385 Millionen EURO für die Energieforschung bereitgestellt. Das sind innerhalb der Bundesregierung gut 45%.

Unser Ziel: Modernste Spitzentechnologien für ein Energiesystem auf dem neuesten Stand der Technik.

Schon Anfang der 1990er Jahre haben wir etwa mit dem „1000-Dächer-Programm“ gezeigt, dass die Versorgung einer Industriegesellschaft auf der Grundlage von Wind und Sonnenenergie keine Utopie ist.

Vorhaben wie dieses waren Wegbereiter der Energiewende. Ohne technologische Alternativen aus der Grundlagenforschung wäre sie nicht möglich gewesen.

Forschung denkt in größeren Zeitskalen als die Politik. Wir müssen früh die Weichen zu stellen, um der Wissenschaft die Zeit zu geben, um Ideen und Konzepte in praxisreife Lösungen umzusetzen.

Deshalb fördert das BMBF heute schon Technologien, die uns dann ab 2025 zur Verfügung stehen sollen. So treiben wir die Energiewende weiter voran. Wir stehen für Zukunftsforschung und bereiten das energietechnische Übermorgen vor.

Im letzten Jahr haben die Kopernikus-Projekte gestartet: In vier Zehn-Jahres-Projekten schlagen wir in breit angelegten Forschungsnetzwerken aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft eine Brücke von der Grundlagenforschung zur Anwendung. Mehr als 260 Partner arbeiten daran, dass technologische Lösungen in den Bereichen Netze, energieflexible Industrie, Power-to-X und Systemforschung in einem klimarelevanten Maßstab Wirklichkeit werden.

Dabei kommt es uns nicht darauf an, dass möglichst viele an unterschiedlichen Themen arbeiten, sondern dass sich die besten Köpfe gemeinsam auf zentrale Fragen des Umbau des Energiesystems fokussieren. Damit schaffen wir optimale Voraussetzungen für dringend benötigte technische, ökonomische und soziale Innovationen bei Netzen, Speichern, Industrieprozessen und der Systemintegration.

Bis 2025 haben wir allein für die Kopernikus-Projekte eine Gesamtfördersumme von bis zu 400 Mio. EUR vorgesehen. Sie sind die bisher größte Energieforschungsinitiative der Bundesregierung: breit angelegt und bewusst offen für verschiedene Technologiepfade. Die strombasierten Kraftstoffe sind ein Beispiel. Ich komme hierauf nochmal zurück.

Drittens: Nur mit Technologieoffenheit führen wir die Energiewende zum Erfolg. Wir müssen teure Pfadabhängigkeiten vermeiden.

Ohne Technologieoffenheit werden wir die nächste Phase der Energiewende nicht meistern können. 30 Prozent erneuerbarer Strom sind einfach im Vergleich zu dem, was noch vor uns liegt. Die Sektorkopplung, also die Verbindung von Strom, Wärme und Mobilität, ist eine Riesenaufgabe. Dabei müssen wir neue, teure Pfadabhängigkeiten vermeiden.

Flexibilität und Offenheit sind das Gebot der Stunde. Die Energiewende ist ein kontinuierlicher Lernprozess. Wir stehen in der Verantwortung, die Energiewende so ökonomisch und ökologisch effizient und sozial tragbar wie möglich umzusetzen.

Dafür brauchen wir den Wettbewerb der Ideen. Dieser ist ein Garant für die besten Lösungen in einem sich konstant weiterentwickelnden Umfeld.

Wir im BMBF wollen daher eine breite Palette an Lösungsoptionen für den Umbau des Energiesystems bereitstellen. Wir fördern gezielt Forschung für den „Plan B“. Darum haben wir z.B. bei der Speicherforschung frühzeitig die Initiative ergriffen. Für uns war damals schon klar: Ohne Speicher keine Energiewende. Energieforschung, das ist für uns Vorsorgeforschung.

Viertens: Wir brauchen den Dialog aller gesellschaftlichen Akteure zur Energiewende.

Die Energiewende ist nicht konfliktfrei. Es gibt viele gegensätzliche Interessen. Ein offener Diskurs ist hier der beste Ansatz. Mehr denn je brauchen wir eine evidenzbasierte Energie- und Klimapolitik. Unsere Entscheidungen müssen nachvollziehbar und objektiv begründet sein. Nur so erhalten wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in politische Entscheidungsprozesse. Ziele, Wege, Maßnahmen – wir müssen sie auf den wissenschaftlichen Prüfstand stellen. Dazu brauchen wir den Dialog mit Anwendern, Unternehmen und gesellschaftlichen Akteuren.

Beim Klimaschutzplan 2050 haben wir erfolgreich eine Wissenschaftsplattform etabliert. Sie wird regelmäßig die Wirksamkeit von Maßnahmen überprüfen. Wir erhalten damit eine solide Entscheidungsgrundlage bei der Fortschreibung und Umsetzung im Bereich des Klimaschutzes.

Auch bei der Entwicklung unserer Maßnahmen setzen wir auf den Dialog und die Einbindung aller Akteure durch Agendaprozesse. Dabei gibt es kein Schubladendenken – wir eröffnen und nutzen gezielt die Schnittstellen zwischen den Denkwelten von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Bei uns sitzen alle an einem Tisch. Wir nutzen das „Wissen jenseits der Wissenschaft“.

Fünftens: Wir eröffnen neue Perspektiven für eine Mobilitätswende

Die Energiewende ist für uns mehr als eine Stromwende.

Um die in Paris vereinbarte Klimaneutralität zu erreichen, müssen wir die Emission fossilen Kohlenstoffs langfristig auf nahezu null reduzieren. Das wird insbesondere dort zur Herausforderung, wo fossile Energieträger noch immer Hauptenergielieferant sind – bei energieintensiven Industrieprozessen, in der Mobilität und bei der Wärme. Der Klimaschutzplan formuliert hier erstmals konkrete Zielkorridore für die einzelnen Sektoren. Wir brauchen eine Mobilitäts- und Wärmewende.

Aber Defossilisierung heißt nicht Dekarbonisierung. Kohlenstoffbasierte Energieträger sind unverzichtbar für viele Produktions- und Wertschöpfungsketten. Sie komplett kohlenstofffrei auszugestalten wäre teuer, aufwendig und technisch sehr schwierig. Deutschland als Industrieland braucht wirtschaftlich vernünftige Lösungen, um etablierte Prozesse und Anlagen klimafreundlich zu machen.

Nachhaltig produzierte kohlenstoffbasierte Energieträger sind eine solche Option: Für die Sektorkopplung und für den kosteneffizienten Weiterbetrieb vorhandener Infrastrukturen ebenso wie für die Langfristspeicherung von erneuerbaren Strom. Wir fördern intensiv „Power-to-X“-Ansätze, um Elektrizität in chemische Energie zu übertragen und zu speichern. Wir wollen Kohlenstoffkreisläufe schließen und nachhaltige Alternativen für fossile Rohstoffe schaffen.

Ein anschauliches Beispiel: Mitte 2016 haben wir die Initiative Carbon2Chem gestartet. Hierbei werden Hüttengase als Ausgangsstoffe für hochwertige chemische Produkte genutzt. Mit diesem Ansatz sollen 20 Millionen Tonnen des jährlichen deutschen CO2-Ausstoßes der Stahlbranche künftig wirtschaftlich nutzbar gemacht werden. Neben der Firma ThyssenKrupp ist die Chemiebranche u.a. mit BASF und Linde vertreten.

Ein möglicher Nutzungspfad ist die Herstellung synthetischer Kraftstoffe. Die dabei anvisierten Stoffklassen sind Alkohole und OME, also Oxymethylenether.

Nach Schätzungen der Projektpartner könnten am Produktionsstandort Duisburg bis zu ca. 8 Mio. Tonnen OME-Treibstoff pro Jahr hergestellt werden. Dies entspricht mehr als einem Viertel des derzeitigen Dieselverbrauchs in Deutschland.

Mit synthetischen Kraftstoffen könnten wir verkehrsbedingte Emissionen schnell, effizient und im großen Maßstab senken: Für den Kunden, aber auch für Händler und in der Lieferkette gibt es kaum eine Umstellung. Sie sind zur bestehenden Fahrzeuggeneration und der Infrastruktur weitestgehend kompatibel. Gleichzeitig verbrennen synthetische Kraftstoffe sauberer als fossile. Wir kommen also auch bei der Luftqualität in den Städten voran.

Aber, bis zum wirtschaftlichen Einsatz ist es noch ein langer Weg. Dafür brauchen wir den Schulterschluss von Automobilbranche, Chemie und Mineralölwirtschaft. Derzeit loten wir die Forschungs- und Handlungsbedarfe in diesem Zukunftsfeld aus. Basierend hierauf wollen wir eine großangelegte Forschungsinitiative auf den Weg bringen.

Die Kernfrage lautet: Wie schaffen wir es, die erneuerbaren Energien dauerhaft in das Gesamtsystem zu integrieren? Ein wichtiger Baustein dazu sind Power-to-X-Technologien auf der Grundlage „grünen“ Wasserstoffs. Die Entwicklung von effizienten, skalierbaren und flexiblen Elektrolyseuren hat für uns Priorität.

Um Wasserstoff geht es auch bei „Synlight“ – der größten künstlichen Sonne der Welt, die das DLR-Institut für Solarforschung in Jülich unlängst in Betrieb genommen hat. Mit ihr stärken wie unsere Expertise im Bereich der solarthermischen Anlagen. Im Fokus der Forschung steht dabei die Wasserspaltung in gebündeltem Sonnenlicht, eine hochinteressante Alternative zu gängigen Verfahren. Gekoppelt mit einer CO2-Quelle kann so in den sonnenreichsten Gebieten der Welt eine nachhaltige Kraftstoff-Produktion entstehen, die auf deutscher Technologie beruht.

Mit „Synlight“ treibt die Bundesregierung die Entwicklung nachhaltiger Produktionsverfahren für klimafreundliche Alternativen zu fossilen Ressourcen für den Industriestandort Deutschland und die Welt weiter voran.

Meine Damen und Herren,
die Energiewende ist ein umfassendes Innovations- und Investitionsprogramm für uns und die Welt. Sie ist längst international geworden. Regierungen, Wissenschaftler, Unternehmen und Bürger gestalten sie. Produktionsprozesse, Verkehrssysteme und die allgemeine Energieversorgung werden zunehmend nachhaltig. Mit erfolgreichen Demonstrationsprojekten zeigen wir, wie es funktionieren kann. Umwelttechnologie „made in Germany“ kann zum Motor einer globalen Energiewende werden. Aber unsere Technologien müssen globalisierungsfähig sein.

Wir können Innovation nicht verordnen. Aber wir können ihr den Boden bereiten: Indem wir die Akteure in den Dialog bringen, indem wir die Brücke von den Grundlagen bis in die Anwendung schlagen, indem wir ausreichend Geld zur Verfügung stellen – und indem wir als Politiker solche Prozesse moderierend begleiten.

Das ist unsere Verantwortung. Zu dieser stehen wir. Mit Forschung und Innovation wollen und werden wir die Energiewende zum Erfolg führen.

Vielen Dank!