Standpunkte

Christen im Parlament - Gelebte Verantwortung

Christsein in der Politik ist immer konkret und dazu gehört auch, dass man in einer bestimmten Konfession beheimatet ist. Verantwortung in Politik und Gesellschaft gründet für mich als evangelischen Bundestagsabgeordneten und Bundesvorsitzenden des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK) zunächst einmal in der Erkenntnis der Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben und der damit verbundenen Nichtvertretbar- bzw. Nichtdelegierbarkeit der eigenen glaubensverantwortlichen Gewissensentscheidung sowie in der Ablehnung jeglicher starrer Gesetzes- und Prinzipienethik. Diese genuin evangelische Auffassung von der „Freiheit eines Christenmenschen” mag zwar - von Fall zu Fall - eine gewisse notorische Schwierigkeit bei der Konsensfindung bedingen, doch gerade diese Kehrseite gehört zum positiven Grundverständnis menschlicher Freiheit nach protestantischem Verständnis unabdingbar dazu. Der evangelische Christ in der Politik weiß, dass das verantwortliche Ringen um die besten Antwortversuche nun einmal in den Streit und die Zweideutigkeiten dieser Welt gehört. Er sieht daher auch in dem Versuch, diese Zweideutigkeiten in der politischen Arbeit leugnen oder überspringen zu wollen, den theologisch wie politisch letztlich unzulässigen Versuch, weltliches und geistliches Amt miteinander zu verwechseln. Die direkte Berufung auf vermeintliche geistliche Autoritäten für die Alltags- und Gegenwartsfragen - sei es nun ein Papst, sei es eine Synode oder ein unmittelbarer Rückgriff auf das Wort der Schrift - kann somit für das politische Amt nach evangelischem Verständnis nicht den alleinigen Maßstab bilden. Das ist die Würde aber gleichermaßen auch die Bürde der spezifisch evangelischen Verantwortung in der Politik, so wie ich sie verstehe.

Diese verantwortungsvolle Aufgabe muss nun aber stets von allen Christen im Deutschen Bundestag - quer durch alle Parteien hindurch - gemeinsam wahrgenommen werden. Im Bewusstsein der Schwere, aber auch der Bedeutsamkeit dieser politischen Herausforderung müssen wir als Christen im Parlament immer wieder um die Lösung der wichtigen Probleme in unserem Land ringen und uns glaubwürdig dafür einsetzen. Bei aller Vorläufigkeit der politischen Tätigkeit werden wir immer die hohe Ernsthaftigkeit und Verantwortung dieses Berufes zu betonen haben, bei allem notwendigen Ernstnehmen desselben werden wir aber immer auch um seine Vorläufigkeit wissen. Das Verhältnis von Glaube und Politik hat der zweite Bundestagspräsident, Dr. Hermann Ehlers, einmal sehr schön formuliert und dies wird uns als christliche Abgeordnete des Deutschen Bundestages eine bleibende Mahnung sein:

„Die Verantwortung, die die Menschen für sich, für ihre Bürger, für die Gemeinschaft des Volkes tragen, muss eine andere sein, wenn sie nicht meinen, dass mit dem Tode alles aus ist, sondern dass ein letztes Gericht und eine letzte Gnade auf sie wartet. Wo es keine große Hoffnung gibt, gibt es auch keine vernünftige Politik.”


Thomas Rachel MdB