Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben derzeit ein kontinuierliches weltweites Wachstum der Bevölkerung. Schon mehr als 7 Milliarden Menschen leben auf der Erde. Diese Menschen brauchen eine gesicherte und vielfältige Ernährung. Das erfordert eine ausreichende Produktion und eine gerechte Verteilung von Nahrungsmitteln. Die Produktion der Nahrungsmittel wird zunehmend von klimatischen Veränderungen beeinflusst. Wichtige Ressourcen wie beispielsweise die Böden erodieren, und Anbauflächen werden knapper. Eine der Auswirkungen sind stark schwankende Preise auf den internationalen Agrarmärkten. Dies trifft häufig die Ärmsten am stärksten. Ernährungssicherheit für alle Menschen heißt auch, einen tatsächlichen Zugang zu Lebensmitteln zu haben. Dazu kann und will die Forschung einen Beitrag leisten und sich in den Dienst der Gesellschaft stellen. So wird zum Beispiel in der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ der Bundesregierung die wichtige Aufgabe, die weltweite Ernährung zu sichern, als eines von fünf Handlungsfeldern genannt. Ein Beispiel ist die Verbesserung des Saatguts. Wir unterstützen die Pflanzenzüchtungen. Erträge konnten gesteigert werden, die Qualität und die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen konnten verbessert werden. Wir wollen Pflanzen mit hoher Resistenz gegen Stress entwickeln. Aber Pflanzenzüchtung ist nur ein Aspekt. So vielfältig die Ursachen für eine Mangel- und Fehlernährung sind, so vielfältig müssen auch die Lösungsansätze sein. Wir brauchen unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen. Wir wollen, dass die Ergebnisse von den Bäuerinnen und Bauern in ihrem Lebensalltag umgesetzt werden können. Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher sollen mit einbezogen werden. Deshalb brauchen wir stärkere Brücken zwischen naturwissenschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Forschung.
Weitere Themen sind die ökologische Graslandwirtschaft, die Vermeidung von Nachernteverlusten und die Biodiversität von Agrarflächen. Die „Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ hat zum Ziel, ressourcenintensive und umweltbelastende Verfahren durch nachhaltige biologische Prozesse abzulösen. Bei der Frage, ob Biomasse in den Tank oder auf den Teller gehört, will die Forschung Signale setzen. Das BMBF hat die Förderinitiative „Globale Ernährungssicherung – GlobE“ entwickelt. Wer sich die Welthungerkarte des Jahres 2011 ansieht, der erkennt, dass die Unterversorgung mit Nahrungsmitteln in Afrika am schlimmsten ist. In Teilen von Afrika sind rund 35 Prozent der Bevölkerung unterernährt. Aufgrund dieser ganz besonderen Betroffenheit wurde der afrikanische Kontinent auch regionaler Schwerpunkt für die Förderaktivitäten des BMBF.
Drei Punkte der Initiative möchte ich herausheben. Erstens: Partnerschaftlichkeit und regionale Anpassung. Wir wollen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen deutschen und afrikanischen Forscherinnen und Forschern bei der Analyse und der Auswahl des Forschungsansatzes. Wir wollen, dass Wahlfreiheit über die geeigneten Methoden und Verfahren gewährleistet wird. Die Entscheidung sollte nicht von außen bestimmt werden, sondern sie sollte im Einklang mit den regionalen Bedürfnissen und Strategien getroffen werden; denn Forschungsergebnisse entfalten ihre Wirksamkeit nur dort, wo sie tatsächlich aufgegriffen und in der Praxis umgesetzt werden. Wir wollen die aktive Beteiligung vor Ort.
Zweitens: systemische Orientierung. Bei dem weltweiten Nahrungssystem haben wir es mit vielen Faktoren zu tun: Boden, Anbauweise, Lagerung, soziale Strukturen, Vermarktung und nicht zuletzt klimatische Faktoren. Das System beginnt beim Mikroorganismus, der die Bodenfruchtbarkeit reguliert, und geht bis zu den globalen Handelssystemen, welche die Agrarpreise mitbestimmen. Wir müssen insofern die Komplexität der Nahrungssysteme in den Blick nehmen. Dafür ist eine ganzheitliche Systembetrachtung erforderlich. Wir gehen insofern über die Empfehlungen des Berichts des
TAB „Forschung zur Lösung des Welternährungsproblems – Ansatzpunkte, Strategien, Umsetzung“ hinaus. Drittens: Ressortzusammenarbeit. Wir wollen in der Bundesregierung interdisziplinär zusammenarbeiten. Im Ressortkreis „Welternährung“ arbeiten das Bundeslandwirtschaftsministerium – ich sehe hier den Kollegen Staatssekretär Gerd Müller –, das BMZ und das BMBF bei der Verzahnung der gemeinsamen Förderinstrumente in der internationalen Agrarforschung zusammen. Diese gute Zusammenarbeit ist die Grundlage für den Wissenstransfer in die Praxis vor Ort.
In der „Strategie der Bundesregierung zur Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung“ haben wir die Zusammenarbeit mit Schwellen- und Entwicklungsländern im Sinne einer globalen Verantwortung in den Mittelpunkt gestellt. Das Forschungsministerium unterstützt unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ den Aufbau von Kompetenzzentren „Klimawandel und angepasstes Landmanagement in Afrika“. Im Februar hat das BMBF Kooperationsverträge mit zehn westafrikanischen Ländern geschlossen und eine Kooperation auf Augenhöhe vereinbart. Deutsche Wissenschaftler erforschen mit afrikanischen Wissenschaftlern die örtlichen Auswirkungen des Klimawandels und erarbeiten konkrete Maßnahmen zum Umgang mit dem Klimawandel. Für dieses Zentrum und ein vergleichbares Zentrum im südlichen Afrika, dessen Kooperationsvertrag Frau Ministerin Schavan im April unterschreiben wird, wird das Bundesministerium für Bildung und Forschung 100 Millionen Euro bereitstellen.
Sie sehen: Mit diesen ganz unterschiedlichen Ansätzen begegnen wir dem Problem der Welternährung. Forschung kann und muss einen wesentlichen Beitrag zu einer verbesserten Ernährungssituation weltweit leisten.
Herzlichen Dank.
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