Kolumne in SUPERSONNTAG zur Reichspogromnacht am 9. November 1938

09.11.2008

Die Reichspogromnacht


Liebe Leserinnen und Leser,

an kaum einem anderen Tag verdichtet sich die deutsche Geschichte so wie am 9. November: 1918 markierte die Novemberrevolution nicht nur das Ende des Ersten Weltkriegs, sondern auch den Übergang von der Monarchie zur Weimarer Republik. Ein trauriges Beispiel für das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte ist die Reichspogromnacht am 9. November 1938. Das Datum des 9. November zeigt jedoch auch, wie eng Freude und Leid miteinander verknüpft sind: 1989 läutete der Fall der Berliner Mauer das friedliche Ende der zweiten Diktatur in Deutschland, der DDR, ein.

„Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 gehört zu den schlimmsten und beschämendsten Momenten der deutschen Geschichte.“ Mit diesen Worten beschreibt der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog die Geschehnisse der Reichspogromnacht sehr treffend.

In diesem Jahr begehen wir den 70. Jahrestag der Synagogenzerstörungen, der gezielten Übergriffe auf jüdische Einrichtungen und der gewaltsamen Übergriffe auf Mitglieder der jüdischen Gemeinden.

Am 9. November 1938 zeigte sich, zu welchen Taten die nationalsozialistische Diktatur in der Lage war.

Heutzutage wird manchmal gefragt, ob der Blick nicht häufiger in die Zukunft anstatt in die Vergangenheit gerichtet werden sollte. Doch durch ein Auf-sich-beruhen-lassen können wir die Zukunft nicht menschenwürdiger gestalten. Vergangenheit und Zukunft gehören eng zusammen!

Auch im Kreis Düren wurden Mitglieder der jüdischen Gemeinden verfolgt, deportiert und grausam ermordet. Das Projekt „Stolpersteine“ erinnert mit Messing-Pflastersteinen an ermordete jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Der heutige Tag mahnt uns, immer wachsam zu sein. Demokratie, Freiheit und Menschenwürde sind noch lange nicht so selbstverständlich, wie es scheinen könnte.

Die unbeschreibliche Menschenfeindlichkeit, die in der Reichspogromnacht deutlich wurde, war ein Wendepunkt von der Diskriminierung hin zu Deportation und Vernichtungslagern. Noch heute sind diese Ereignisse Anlass für ein „Gefühl der Fassungslosigkeit“, wie es der Historiker Saul Friedländer einmal ausdrückte. Somit ist die Erinnerung an die Reichspogromnacht zugleich eine Aufforderung, Verantwortung für unsere Gesellschaft zu übernehmen und frühzeitig zu handeln, wenn Diskriminierung passiert.

In Verbundenheit

Ihr

Thomas Rachel

Bundestagsabgeordneter des Kreises Düren