Festakt zum Jubiläum „100 Jahre Tropenmedizin“ in Tübingen

30.06.2017

Sehr geehrter Herr Professor Engler,
sehr geehrter Herr Professor Autenrieth,
sehr geehrter Herr Professor Kremsner,
sehr geehrter Herr Dr. Köhler,
sehr geehrte Frau Parlamentarische Staatssekretärin Widmann-Mauz,
sehr geehrte Frau Ministerin Bauer,
Herr Minister, Professor N´zouba,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

I. Einleitung: vom Missionsarzt zum Tropenmediziner
„Das gute Beispiel ist nicht nur eine Möglichkeit, andere Menschen zu beeinflussen. Es ist die Einzige.“ – so fasste Albert Schweitzer die Maxime seines eigenen Handelns zusammen.

Albert Schweitzers Engagement entstand aus dem Wunsch Missionsarzt zu werden. Auch die Tübinger Tropenmedizin hat ihre Wurzeln in einem missionsärztlichen Institut, dessen Leiter Gottlieb Olpp vor 100 Jahre zum ersten Tübinger Professor für Tropenmedizin berufen wurden. Seitdem erfüllt die Tübinger Tropenmedizin die Maxime Albert Schweitzers vom guten Beispiel mit Leben. Und es ist daher nur folgerichtig, dass die Tübinger Tropenmedizin und das Albert-Schweitzer-Hospital in Lambaréné – das „Urwaldkrankenhaus“ Albert-Schweitzers – heute vieles verbindet. Mit Ihrer tatkräftigen Unterstützung, liebe Tübinger Tropenmedizinerinnen und -mediziner, entstand neben dem Hospital Albert Schweitzers ein erstklassiges medizinisches Forschungszentrum.


II. 100 Jahre Tübinger Tropenmedizin
Heute blicken wir auf erfolgreiche und wegweisende 100 Jahre zurück, in denen die Tübinger Tropenmedizin, seit 1996 unter Ihrer Leitung, Herr Prof. Kremsner, zu einem Eckpfeiler der deutschen Tropenmedizin wurde.
• Seit nunmehr 10 Jahren ist Tübingen das tropenmedizinische Kompetenzzentrum des Landes Baden-Württemberg.

• Unter der Leitung von Herrn Dr. Köhler setzt es sowohl deutschlandweit als auch international Impulse in den Fachbereichen Tropenmedizin, Humanparasitologie und Reisemedizin. Ich denke es verdient besondere Erwähnung, dass Sie am Kompetenzzentrum neben Forschung und Lehre auch erstklassige Versorgungsarbeit leisten, die sich in den letzten Jahren auch besonders um geflüchtete Menschen kümmert.

• Erst kürzlich richteten Tübinger Tropenmedizinerinnen und -mediziner in dem bereits erwähnten medizinischen Forschungszentrum in Lambaréné eine afrikanische tropenmedizinische Professur ein. Herr Professor Adegnika, der wie viele andere afrikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier in Tübingen ausgebildet wurde, kann so vor Ort seine langjährigen Erfahrungen in Forschung, Lehre und Versorgung einbringen. Dieser Schritt ist wegweisend. Denn Kapazitäten müssen wir genau dort schaffen, wo sie gebraucht werden.

III. Herausforderung Globale Gesundheit
Tropenmedizin ist heute untrennbar mit dem Thema Globale Gesundheit verbunden. Die Tropenmedizin bekämpft die großen Infektionskrankheiten dieser Welt:
• Die großen Ausbrüche der vergangenen Jahre, beispielsweise Ebola oder Zika, zeigten uns deutlich, dass die Weltgemeinschaft auf solche Gefahren nicht ausreichend vorbereitet ist.

• Dringend benötigte Impfstoffe, mit denen HIV, Tuberkulose und Malaria bekämpft werden könnten, fehlen noch immer.

• Und schließlich bedrohen die rapide steigenden Antibiotikaresistenzen Millionen von Menschenleben.

Die Verbesserung der Globalen Gesundheit muss auf vielen Ebenen gleichzeitig ansetzen. Alle Menschen brauchen Zugang zu Gesundheitsleistungen, gerade in armutsgeprägten Regionen. Um dies zu ermöglichen, brauchen wir stärkere und robustere Gesundheitssysteme in Entwicklungsländern.

Es gilt zudem, eine zentrale Bedingung für die Verbesserung der Globalen Gesundheit zu erfüllen: Wir müssen mehr in die Entwicklung neuer und besserer Medikamente, Impfstoffe, Diagnostika und Therapien investieren. Ein Beispiel ist die Malaria: Immer noch fehlt ein vollständig schützender Impfstoff. Ich weiß, Sie, liebe Tübinger, arbeiten hier mit ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen erfolgreich an einem völlig neuen Konzept. Ich wünsche Ihnen, dass der Erfolg Ihnen hier weiterhin treu bleibt.

Ein anderes Beispiel – Ebola: Heute wissen wir, dass wir vor dem Ausbruch einen Impfstoff bis zur Einsatzreife hätten entwickeln können. Dass die Entwicklung erst nach der Epidemie intensiviert wurde, kostete tausenden Menschen das Leben und verursachte unermessliches Leid.

Wir müssen akzeptieren, dass die pharmazeutische Wirtschaft die nötigen Entwicklungsarbeiten nicht allein vornehmen will und kann. Es braucht daher den verstärkten Einsatz öffentlicher Fördermittel. Und es braucht eine koordinierte Vorgehensweise aller Stakeholder, d.h. Regierungen, Stiftungen, NGOs und Privatwirtschaft. Und auch die Betroffenen müssen eingebunden werden und ihre Bedürfnisse müssen die Basis für Neuentwicklungen sein.

Ein erstes vielversprechendes Beispiel für solch ein koordiniertes Handeln ist die Koalition für Innovationen in der Abwehr von Epidemien, kurz CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations). CEPI hat sich zum Ziel gesetzt neue Impfstoffe gegen gefährliche Erreger zu entwickeln, damit die Welt beim nächsten Epidemie-Ausbruch – der nur eine Frage der Zeit ist – besser vorbereitet ist.

IV. Engagement der Bundesregierung
CEPI zeigt beispielhaft, dass die Bundesregierung gewillt ist, maßgeblich zu einer besseren Globalen Gesundheit beizutragen. Wir werden hier in den nächsten fünf Jahren rund 90 Millionen Euro Fördermittel beisteuern. Die Wichtigkeit, die die Bundesregierung dem Thema beimisst, wird auch dadurch deutlich, dass wir die Globale Gesundheit prominent auf den Agenden der G7 Beratungen im Jahr 2015 und den G20 Konsultationen in diesem Jahr platziert haben.

Das BMBF veröffentlichte bereits 2011 sein Förderkonzept für vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten. Dieses haben wir in Folge der deutschen G7 Präsidentschaft 2015 erweitert und aktualisiert. Unser konzeptioneller Ansatz geht dabei mit einer erheblichen Steigerung der Investitionen einher.

Ich möchte unser Engagement in drei Kernbereichen detaillierter ausführen.
• Das BMBF unterstützt schon in zweiter Förderrunde die Produktentwicklungspartnerschaften oder PDPs (Product Development Partnerships). Diese PDPs haben zum Ziel vernachlässigte und armutsassoziierte, sowie neue bzw. wiederkehrende Infektionskrankheiten zu bekämpfen. Sie entwickeln als Zusammenschluss unterschiedlicher Akteure aus öffentlichen Geldgebern, privaten Stiftungen und der Pharmawirtschaft neue, dringend benötigte Impfstoffe, Medikamente und Diagnostika. Wichtig ist, dass diese neuen Interventionen dank des PDP-Modells auch für Patienten in Entwicklungsländern erschwinglich sind. Die sechs derzeit geförderten PDPs widmen sich u.a. den Krankheiten: HIV, Afrikanische Schlafkrankheit, Dengue-Fieber, Malaria und Tuberkulose.

• Ebenso unterstützt das BMBF neben CEPI weitere Initiativen zur Verbesserung der sogenannten „Pandemic Preparedness“, darunter die Globale Forschungskooperation zur Abwehr von Infektionskrankheiten, kurz GloPID-R (Global Research Collaboration for Infectious Disease Preparedness). GloPID-R vernetzt Forschungsförderer in internationalem Maßstab und hat zum Ziel im Fall des Ausbruchs eines gefährlichen Erregers binnen 48 Stunden eine koordinierte Forschungsantwort zu ermöglichen.

• National bündeln wir unsere Aktivitäten im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung, dem DZIF. Das DZIF ist eines der Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung. Unter seinem Dach forschen exzellente Institutionen der Infektiologie innerhalb Deutschlands, darunter auch die Universität Tübingen. Besondere thematische Einheiten, z.B. zu HIV, Malaria und TB oder zu Antimikrobiellen Resistenzen gewährleisten, dass die dringendsten Forschungsprobleme gezielt und effizient gemeinsam angegangen werden.


V. Schlusswort
Sie sehen: Auf vielen Ebenen wurden und werden Anstrengungen unternommen. Die Tübinger Tropenmedizin ist dabei ein wichtiger und verlässlicher Partner. So wird hier die eben erwähnte Malariaforschung im DZIF geleitet. Tübingen ist ebenfalls ein überaus erfolgreicher Teilnehmer am europäisch-afrikanischen Förderprogramm EDCTP (European and Developing Countries Clinical Trials Partnership). Das BMBF unterstützt das EDCTP-Programm bereits seit 2003.

Der letzte Bericht der WHO macht deutlich, dass sich die enormen Anstrengungen lohnen und dass wir auf dem richtigen Weg sind. Viele Tropenkrankheiten sind erfreulicherweise auf dem Rückzug. Dies ist ein Grund mehr, heute 100 erfolgreiche und beispielhafte Jahre Tübinger Tropenmedizin gebührend zu feiern. Enden möchte ich daher erneut im Sinne Albert Schweitzers: „Gehen Sie weiterhin mit gutem Beispiel voran!“

Vielen Dank.